Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

3.11.13

Geheimdienste gefährden unsere Demokratie

Die Geschichte der Menschheit ist geprägt von Gewaltherrschaft und autoritären Staats- und Gesellschaftsformen. Diese Geschichte hat uns gelehrt, dass die unkontrollierte Ausübung von Macht stets zu Missbrauch und zur Unterdrückung von weiten Teilen einer jeden Gesellschaft führt. Das Gegenmodell von der Herrschaft des Volkes (Demokratie) hat sich erst in der jüngeren Geschichte nachhaltig durchgesetzt, aber wie wir wissen, noch längst nicht überall.

Grundbedingung eines demokratischen Rechtsstaats ist es, staatliche Macht einer strikten Kontrolle zu unterziehen. Das gesamte staatliche Handeln ist an die Verfassung und die einfachen Gesetze gebunden. Ein solcher Staat ist geprägt von einer Herrschaft des Rechts und steht damit im Gegensatz zu Willkür- und Polizeistaaten. Dieses Rechtsstaatsprinzip, das im Grundgesetz in Art. 20 Abs. 3 verankert ist, geht Hand in Hand mit dem Demokratieprinzip, das in Deutschland durch Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 GG gewährleistet wird.

Das Prinzip des demokratischen Rechtsstaats lässt sich also dahingehend zusammenfassen, dass die staatliche Macht einer strikten Kontrolle unterliegt. Diese Kontrolle wird durch unabhängige Gerichte gewährleistet sowie durch ein vom Volk gewähltes Parlament.

Das Rechtsstaatsprinzip müsste im Grunde uneingeschränkt auch für Geheimdienste gelten, faktisch tut es das aber nicht. Der gerichtliche Rechtsschutz ist in diesem Bereich deutlich eingeschränkt. Eine parlamentarische Kontrolle existiert nur in der Theorie. Faktisch ist sie so ausgestaltet, dass sie beliebig und vor allen Dingen sanktionslos umgangen werden kann. Und das ist auch politisch gewollt. Selbst dann, wenn beispielsweise der BND in kriminelle Machenschaften verwickelt ist, hat dies für die Behörde keinerlei Konsequenzen, wie der Fall „Bodenkamp“ belegt.  Die Bundesregierung unterstützt solche Machenschaften vielmehr durch gezielte Verschleierungstaktik. Geheimdienste können also in einem rechtsstaatlichen Vakuum agieren und die Politik lässt sie gewähren.

Die unkontrollierte Ausübung von Macht erfasst in demokratischen Gesellschaften also nicht mehr den gesamten Staat, sondern sie hat sich eine Nische gesucht, nämlich die der Geheimdienste. Dort wird in dem Wissen, dass die gerichtliche Kontrolle unzureichend ist und die parlamentarische Kontrolle nur eine Placebo-Funktion erfüllt, weiterhin ungeniert Recht gebrochen und das Rechtsstaatsprinzip mit Füßen getreten. Vermutlich glauben einige der Akteuere dieses Systems sogar, damit einer legitimen, höheren Staatsräson zu folgen. In den USA und Großbritannien sind die Auswüchse ganz augenscheinlich noch schlimmer, weil die besagte Kontrolle dort schon formal kaum vorgesehen ist.

Was wir in den letzten zehn Jahren beobachten können, ist eine ungehemmte Ausweitung der Überwachungstätigkeit der Dienste. Die ständig zunehmenden technischen Möglichkeiten gehen in vielen Staaten mit einer personellen Aufrüstung einher. Der demokratische Fremdkörper Geheimdienste könnte sich deshalb als Krebsgeschwür entpuppen, das den Gesamtorganismus Demokratie erfasst. Es geht hier nicht mehr um ein einzelnes Grundrecht – weshalb viele aktuelle Diskussionen zu kurz greifen – sondern um unsere Demokratie im Ganzen.

Wenn die Tatsache, dass Geheimdienste unsere Demokratie gefährden, nicht zügig in das öffentliche Bewusstsein vordringt, dann wird es der freiheitlich-demokratische Rechtsstaat nicht nur, aber auch, hierzulande in Zukunft nicht leicht haben, sich zu behaupten. Dass konservative Politiker in Deutschland beispielsweise die Internetüberwachung noch ausweiten wollen, kann man aktuell bei Heise nachlesen.

Wir dürfen diese unkontrollierte Ausübung von Macht nicht zulassen und deshalb den Staat im Staate mit dem Namen Geheimdienst in der bisherigen Form nicht gewähren lassen. Eine demokratische Gesellschaft muss dem System Geheimdienst den Kampf ansagen.

Wer thematisch verwandte Texte von mir lesen will, dem sei nochmals „Von der Hinterlist einer lichtscheuen Politik“ und „Geheimdienste und Bürgerrechte“ empfohlen.

posted by Stadler at 20:59  

13 Comments

  1. Endlich! Danke für diesen Beitrag, genau darum geht es! Diese von ihnen beschriebene Nische, gilt eben auch für die verankerten Vorbehalte der „Drei Mächte“, wenn es um die Frage der Souveränität Deutschlands geht.

    Comment by derblauweisse — 3.11, 2013 @ 21:23

  2. Sehr geehrter Herr Stadler,

    vielen Dank für Ihren Blog-Artikel.

    Jedoch möchte ich Sie auf den Boden der bitteren Realität zurückholen.

    Wir (Demokraten, Freiheitsfreunde, Bürger- und Menschenrechtler) haben verloren. Wir sind eine winzige Minderheit in Deutschland. Stell Dir vor, es ist Krieg, und keiner geht hin. Die Mehrheit der Deutschen ist ignorant und indifferent, wenn es um die Gefahren von Überwachung und Geheimdiensten für den freiheitlich demokratischen Rechtsstaat geht. Viele sind sogar ausdrückliche Befürworter des Polizei- und Überwachungsstaats.

    Der freitheitlich demokratische Rechtsstaat hat auf deutschem Boden nie existiert. Das Grundgesetz wurde seit seinem Inkrafttreten permanent geschleift. Die Grundrechte wurden immerzu eingeschränkt, nie aber ausgeweitet.

    Herr Stadler, Sie sind privilegiert. Sie sind Rechtsanwalt und genießen eine hohe berufliche Unabhängigkeit. Sie können sich erlauben, offen und kritisch ihre Meinung zu äußern. Sie können sich politisch engagieren.

    Glauben Sie mir, unter der ohnehin schon kleinen Gruppe der Überwachungskritiker in Deutschland gibt es sehr viele, die aus Sicherheitsgründen keine offene Kritik und Opposition betreiben können. Als Lohnabhängiger sollte man aufpassen, dass man sich nicht zu weit aus dem Fenster lehnt; vor allen Dingen sollte es niemals öffentlich bekannt sein, dass man der Gruppe der Überwachungskritiker zuzuordnen ist. Soviel zum Thema „Nichts zu verbergen, nichts zu befürchten“. Meinen Kommentar hier auf Ihrem Blog schreibe ich selbstverständlich unter Tarnnamen und technisch betreibe ich einigen Aufwand zur Eigensicherung. Staatliche und gesellschaftliche Repressionen sind für viele eine reale Bedrohung.

    Herr Stadler, lassen Sie mich zum Abschluss erwähnen:

    Eigentlich bin ich Patriot. Eigentlich will ich für Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit in Deutschland kämpfen.
    Aber welche wirksamen Mittel habe ich, haben wir?
    Sie, Herr Stadler, können auch nicht mehr tun, als Ihr Blog mit Appellen und Regierungskritik zu füllen. Ihre Leser lassen ihren Frust über die Verhältnisse in Kommentaren ab und danach geht jeder wieder nach Hause und muss den persönlichen Alltag bewältigen.

    Bewaffneter Widerstand als Lösung? Keinesfalls. Das wäre ein Himmelfahrtskommando.
    Auswandern als Lösung? Wohin? Deutschland ist noch eines der besseren Länder in der Welt.

    Irgendwann im Leben kommt man an den Punkt, wo man sich eingestehen muss, dass die Zivilisationsdecke der Menschheit nicht tragfähig ist und nie sein wird. Wir sind Gefangene.

    Comment by Carla Haffner — 3.11, 2013 @ 22:38

  3. Ich muss Carla Haffner (leider) zustimmen.

    Fakt ist, dass niemand den Weg in die Zukunft ändern kann. Keine Einzelperson. Auch keine Gruppierungen.
    Dafür wäre ein Konsens der Mehrheit aller Menschen im Lande nötig (sogar Global) die dann das nötige Durchhaltevermögen zeigen die Dinge zu ändern.
    Das wird nicht geschehen.

    Ich habe es (größtenteils) aufgegeben mich zu ärgern, mir all die Dinge die im Blogartikel stehen durchzudenken, mir den den Kopf zu zerbrechen usw.
    Warum auch? Es ändert nichts, macht nur schlechte Laune.

    Man kann die Dinge nur auf sich zukommen lassen um dann darauf zu reagieren.

    Das Tragikkomische ist, das was uns viele Hollywood-Zukunfts-SciFi Filme zeigen wird wohl in dieser oder ähnlicher Form Realität werden.

    Es war ohnehin klar, dass die Demokratie, so wie wir sie einige Jahrzehnte hatten, nicht ewig Bestand haben würde. Wie sollte man auch glauben, dass eine Staatsform hundert oder gar hunderte Jahre unverändert besteht?
    Es war eine schöne Zeit mit dir, Demokratie. C’est la vie.

    Das witzige ist, auch in 10, 20, 30 Jahren werden wir offiziell wohl noch eine Demokratie haben. Nur wird die ganz anders aussehen als heute. Der schöne, alte Buchumschlag mit neuen Kapiteln und gestrichenen alten.

    Was ich daran allerdings nie verstehen werde ist, keine Einzelperson will das für sich, für seinen Partner, oder eher für seine Kinder oder gar Enkelkinder. Warum geschieht es trotzdem, unaufhaltsam?

    Naja, ich denke schon wieder zuviel nach, vielen Dank Herr Stadler für diesen Blogeintrag.

    Comment by Mike — 4.11, 2013 @ 03:58

  4. Vollste Zustimmung. Ich habe mein ganzes bisheriges Leben in einem Gefühl der Freiheit verbracht. Aus einfachen Verhältnissen konnte ich mir ohne Hindernisse Bildung aneignen und auf eine gerechte und gesellschaftlich anerkannte Art und Weise einen beträchtlichen Wohlstand erwerben.

    Mit vielen Einzelaspekten des politischen Lebens war ich nicht einverstanden, aber das System ansich fand ich richtig, gerecht und gut.

    Jetzt hat sich das System gegen mich gewandt, es kontrolliert mich, verdächtigt mich und gewinnt Macht über mich.
    Heute stehe ich mit einem ganz anderen Gefühl vor einem Polizisten als noch vor Jahren.

    Meine Kinder lernen Vorsicht und Misstrauen.

    Comment by inkognito — 4.11, 2013 @ 07:42

  5. Oh je!
    Welches Gegenmodell?
    Für eine Definition oder halbwegs plausible Erklärung von Demokratie gebe ich richtig einen aus.
    Es gibt keine!

    Das Prinzip des demokratischen Rechtsstaats lässt sich also dahingehend zusammenfassen, dass die staatliche Macht einer strikten Kontrolle unterliegt. Diese Kontrolle wird durch unabhängige Gerichte gewährleistet sowie durch ein vom Volk gewähltes Parlament.

    Unfug! Das Volk ist eine dumpfe, dröge Masse. Es hat keinen Willen und kann folglich nichts kontrollieren. Letztlich machen idiotische Fragestellungen einen Willensbildungsprozeß unmöglich. Das geschieht gezielt.

    Was wählen wir denn? Abgeordnete oder Parteien? Auch da krankt der Affe.

    Carsten

    „You have no rights“
    George Carlin

    Comment by Carsten Thumulla — 4.11, 2013 @ 08:45

  6. Ich stimme Herrn Stadler absolut zu, wie auch leider den Kommentaren oben. Und wer noch Zweifel hat, wie die Masse tickt (oder zu ticken hat):

    http://www.bild.de/politik/ausland/abhoer-skandal/7-thesen-zum-nsa-skandal-33244754.bild.html

    Comment by accolon — 4.11, 2013 @ 10:09

  7. Den Haken bildet der Satz Diese Kontrolle wird durch unabhängige Gerichte gewährleistet sowie durch ein vom Volk gewähltes Parlament.

    Was heißt unabhängige Gerichte? Was ist ein vom Volk gewähltes Parlament?

    Unsere Gerichte sind weder unanhängig noch ist das Parlament von Volk tatsächlich frei gewählt.

    Die Gerichte entscheiden im Interesse der Herrschenden und das Parlament wird vom Volk nach bestimmten formalen Regeln nicht gewählt sondern für 4 Jahre eingesetzt mit dem Recht, Entscheidungen – zum Teil Scheinentsacheidungen – zu treffen.

    Die meisten Wähler kennen ihre Volksvertreter nicht und falls doch, dann manipuliert und sehr schlecht.

    Die Politik wird weder von den Gerichten kontrolliert noch vom Parlament gemacht.

    Das Ganze läuft etwas komplizierter.

    Gerichte und Parlament sind nur ein Teil des politisch-gesellschaftlichen Systems.

    Mitmachen tut jeder so wie er es kann und möchte.

    Comment by Rolf Schälike — 4.11, 2013 @ 14:27

  8. Die Medien nicht vergessen. Die meisten Menschen sind nicht etwa vollkommen verblödet, sondern nur massiv desinformiert. Gewisse Blogs helfen der klaren Sicht, aber Leute, die diese Blogs lesen, sind offenbar noch in der Minderheit.

    Comment by Ein Mensch — 4.11, 2013 @ 16:33

  9. Die Wahl sprach eine andere Sprache.
    „Das Volk ist eine dumpfe, dröge Masse.“ von Nummer 5. stimmt.
    Die Masse, auch der Mob genannt, ist dumm: Schwarmintelligenz = (Intelligenz eines Individuums) / (Anzahl an Individuen)

    Darum lässt sich das Volk auch so leicht manipulieren und darum funktioniert Demokratie nicht wirklich, weil das Volk als Masse schlicht weg zu blöd ist, um sich nicht seinen eigenen Henker zu wählen.
    Die Politiker haben gemerkt, dass sie mit dem Volk spielen können und dazu die Presse brauchen (darum wohl auch das Leistungsschutzrecht).
    Wahrheit und Wahrhaftigkeit ist uninteressant, es zählen nur Brot und Spiele.
    Und die Dekadenz lässt grüßen.

    Comment by Frank — 5.11, 2013 @ 12:39

  10. Zum Manager wird man geboren. Vier von fünf Managern der hundert größten Unternehmen stammen aus den oberen 3 Prozent der Bevölkerung, dem Großbürgertum. Nur ein Chef aus den Dax-30-Unternehmen ist ein Arbeiterkind. Bei den meisten anderen Vorstandschefs waren die Eltern Unternehmer, Manager, hohe Beamte oder Adel. Man kennt sich. Das ist eine wirklich geschlossene Gesellschaft.
    Quelle: Der Soziologe und Elitenforscher Michael Hartmann im Gespräch mit Arno Luik, Stern, 21.10.2007

    und

    Demokratie und Kapitalismus haben zwei sehr unterschiedliche Haltungen zur angemessenen Verteilung von Macht. Die Demokratie beruht auf der absolut gleichen Verteilung von politischer Macht: ein Mensch, eine Stimme. Während der Kapitalismus darauf beruht, dass der ökonomisch Stärkere den Schwächeren aus dem Geschäft wirft und ihn vernichtet. »Survival of the fittest« und ungleiche Machtverteilung, das ist es, worum es dem kapitalistischen Wirtschaften geht. Individueller Gewinn ist das oberste Gebot, und der Zweck der Unternehmen ist es, wirtschaftlich zu sein, um Reichtum zu schaffen. Um es schlicht auszudrücken: Kapitalismus ist bestens mit Sklaverei vereinbar. Demokratie nicht.
    Quelle: Lester Thurow, amerikanischer Wirtschaftswissenschaftler und Berater mehrerer US-Präsidenten, in: The Future of Capitalism, New York 1996, S. 242

    Comment by Illusionen — 5.11, 2013 @ 15:30

  11. Ach ja, Fischer und seine Autobahn-Überwachungspläne…

    Die Regierung gefährdet unsere Demokratie, müsste der Titel heißen.

    Comment by Frank — 6.11, 2013 @ 16:33

  12. Machen wir es doch wie der Massenmörder Osama Obama. Wer Friedrich killt, bekommt 20000 Euro auf die Hand. Steuerfrei. Wer ihn lebend verbrennt, was uns besonders freut, kriegt 50000 Euro cash.

    Wir werden die Verfassungsfeinde killen. Mir dem Vergnügen, mit welchem der Friedensnobelpreisträger Osama Obama mittels Drohnen die Menschen schlachtet (worüber die Kanzlerin in der Presse ihre Freude zeigte, die Schlampe).

    Kanzlerin? Amtseid? Nichts.

    Knallt sie ab.

    Comment by Ingo — 7.11, 2013 @ 00:09

  13. Das Modell Demokratie hat sich keineswegs irgendwo nachhaltig etabliert, das zeigt ja die jüngere Geschichte mehr als deutlich, und ansonsten: was die Leute vor mir kommentierten. Leider.

    Comment by Foodfreak — 2.06, 2014 @ 08:20

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