Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

2.8.13

Wie eng sind amerikanische und europäische Überwachungskonzepte aufeinander abgestimmt?

Vor einigen Wochen habe ich hier über Überwachungsstrategien der US-Geheimdienste berichtet, die man in offiziell verfügbaren Dokumenten nachlesen kann.

Das Polygon-Blog spekuliert jetzt darüber, wie stark die amerikanische Strategie „Vision 2015“ mit ähnlichen Vorstellungen der EU vergleichbar ist und zitiert insoweit ein interessantes Papier der sog. Future Group aus dem Jahre 2007. Das Dokument enthält eine ganze Fülle von Textpassagen, die nichts Gutes andeuten. Eine der Prägnantesten ist diese hier:

Every object the individual uses, every transaction they make and almost everywhere they go will create a detailed digital record. This will generate a wealth of information for public security organisations, and create huge opportunities for more effective and productive public security efforts.

Polygon betont, dass der damalige deutsche Innenminister Wolfgang Schäuble die treibende Kraft hinter der Einsetzung dieser Future Group war. Dass Schäuble keine wirklichen Probleme selbst mit einer Totalüberwachung durch Geheimdienste hat, belegen seine öffentlichen Aussagen der letzten Zeit.

Der ausführliche Text im Polygon-Blog ist äußerst lesenswert, wenngleich in Teilen natürlich spekulativ. Die Parallelen und Übereinstimmungen sind aber nicht zu übersehen. Und schließlich ist vieles, was man bisher als Verschwörungstheorie eingestuft hatte, durch die Wirklichkeit nicht nur eingeholt, sondern überholt worden.

posted by Stadler at 17:15  

10 Comments

  1. Lt. Duden ist eine ‚Spekulation‘ eine ‚hypothetische, über die erfahrbare Wirklichkeit hinausgehende Gedankenführung‘.

    In der Frage der Abgestimmheit der Politik der politischen Kontrolle / Inneren Sicherheit zwischen den Vereinigten Staaten und Europa sind wir auf Hypothesen allerdings gar nicht mehr angewiesen: Denn wir können in öffentlich verfügbaren Dokumenten nachlesen, wie umfassend die Parallen und Übereinstimmungen tatsächlich sind.

    Comment by Annette Brückner — 2.08, 2013 @ 20:05

  2. Wenn es wirklich so wäre (ich habe Zweifel), wie Snowden es sagt, dann würde hier in Deutschland doch alles sofort stillstehen müssen, oder? Dann würde auch jede Anwaltskanzlei jeden Onlineverkehr einstellen müssen, wo doch die NSA auf angeblich „alles“ Zugriff hat. Jede Firma würde offline gehen. Mails, Telefon, Internet. Ist es glaubhaft, daß jemand in den USA jetzt auf meinen Rechner schauen kann, wenn ich hier poste? Nein! Es ist nicht so. Sie können es nicht.

    Comment by Luca Delgado — 2.08, 2013 @ 21:42

  3. zu 1

    Ich dachte dies ist eine Seite auf der Menschen schreiben, die intellektuell in der Lage sind ihrer Meinung mit Worten Ausdruck zu verleihen die nicht mit/in dieser Menschenverachtenden Wortwahl geschrieben werden.

    Comment by Marianne Gabel — 3.08, 2013 @ 09:21

  4. @Luca Delgado:
    scheinbar haben Sie überlesen, dass die Damen und Herren von britischen und amerikanischen Geheimdiensten gar nicht an Ihren Rechner müssen. Und natürlich liest erst eine Person mit, wenn Sie aus irgendwelchen Gründen aus dem Rauschen herausstechen (oder anderweitig von Interesse sind).
    Mit „Sie können es nicht!“ haben Sie recht, aber vielleicht etwas anders, als sie dachten: Firmen, Anwälte etc. in D können den Stecker nicht ziehen. Sie sind alle mindestens auf Telefonie und Fax angewiesen, und auch diese laufen heute bei den Großanbietern zumeist über IP.

    (Kann es sein, dass ein Kommentar entfernt wurde, 3 / Mariannes Kommentar erscheint mir seltsam)

    Comment by oh_bother — 3.08, 2013 @ 10:04

  5. Nun ja, „almost everywhere they go will create a detailed digital record“ trifft doch dank Vorratsdatenspeicherung im Mobilfunk heute schon zu. Dazu noch Funkzellenabfragen, IMSI-Catcher etc, da muss man davon ausgehen, dass der eigene Aufenthaltsort für staatliche Stellen kein Geheimnis ist.
    Noch ist es aber glücklicherweise so, dass nur die Geheimdienste dauerhaft Zugriff darauf haben. Natürlich ist auch das sehr bedenklich und abzulehnen, aber sobald die normalen Strafverfolgungsbehörden darauf zugreifen können werden wir (zumindest bei dem heutigen technischen Sachverstand eines Grossteils der Richter) mit sehr viel mehr unschuldig Verurteilten rechnen.

    Comment by Jens — 3.08, 2013 @ 10:43

  6. @Luca Delgado
    1) Zweifel? Hmm, Firmen müssen arbeiten und Geld verdienen. Sie haben keine Wahl. Sie taten das schon unter schwersten politischen Bedingungen.

    2) Die Frage, ob der NSA, BND usw. auf Ihre Rechner sehen könnte, die lässt sich leicht beantworten. Es ist belegt, dass sogar europäische Politiker mit diesem System abgehört wurden.

    3) Aber im Grunde sind diese Punkte egal. Es ist vollkommen ausreichend, dass sie es versuchen, dass Schäuble und Co. ein derartig menschenverachtendes „Gedankenspiel“ überhaupt in den Sinn kam.

    4) Denn Politiker sind den Bürgern verantwortlich. Sie dürfen keinesfalls versuchen, eine geheime Parallelwirklichkeit zur Erhaltung ihrer Macht generieren. Es ist die Exekutive die mit der Schnüffelei spielt. Weder Bürger noch die anderen Gewalten können (und nicht wollen und nicht dürfen) mit auch nur annähernd gleich gewichtigen Möglichkeiten aufwarten.

    Schnüffelei verändert folglich das Gleichgewicht der Gewaltenteilung in nicht abzuschätzender Weise zu Gunsten der Exekutive. Alleine deshalb schon ist die vorliegende Praxis verfassungswidrig. Diese Praxis ist brandgefährlich für die verfassungsmäßige Ordnung.

    Aber Luca Delgado sorgt sich um seine Firma und entscheidet, es sei alles nicht so schlimm, redet den Grundrechtsverletzern (vermutlich unbeabsichtigt) noch nach dem Mund. Kopfschüttel.

    Comment by Joachim — 3.08, 2013 @ 11:12

  7. @Luca Delgado
    Das war jetzt rein provokativ oder?

    Wenn man keine Ahnung von IT hat, denkt man, he – es muss doch möglich sein dass…

    Wenn man dann mal eine Ahnung bekommt von IT dann sieht die Realität aber ganz anders aus.

    Aber bitte. Jeder hat das Recht die blaue Pille zu schlucken.

    Als Einstieg zur Information (red pill) empfehle ich den YouTubekanal des CCC. Sehr gutes und sachliches Infotainment.
    http://www.youtube.com/user/CCCdeVideos

    Mit amüsierten Grüßen,
    yt

    Comment by yt — 3.08, 2013 @ 17:06

  8. Lesenswerter Beitrag.

    Comment by Klaus J Stanek — 3.08, 2013 @ 21:57

  9. Ich mache kurz darauf aufmerksam, daß deutsche Provider von deutschen Polizeibehörden je Unternehmen jährliche IP-Abfragen in sechsstelliger Höhe erhalten, damit wenigstens der Anschlußinhaber ermittelt werden kann. Das ist meistens erfolglos.

    Der Eintopf, der aus den Zugaben CIA, FBI, BND, NSA, Polizei und Co. überall gekocht wird, existiert nicht. Wenn jeder alles wüßte, jeder alles austauschen könnte, würde es diese reinen IP-Abfragen gar nicht mehr geben. Es läge alles auf dem Tisch.

    Wir leben auch weiterhin in einem Rechtsstaat, in welchem man nur gerichtsfeste Beweise vorlegen kann, erlangt auf rechtsstaatlichem Wege. Bis dato bin ich weiterhin zuversichtich, daß es so bleibt.

    Was nutzt es Behörden, Erkenntnisse zu haben, die sie niemals vor Gericht verwerten können?

    Sinnlos. Nach wie vor.

    Comment by Richter — 6.08, 2013 @ 17:43

  10. Beispiel:

    Ein Verdächtiger in einem Mordfall hat in seinem Auto vor sich hingesagt: „Gut, daß ich die Alte kaltgemacht habe“.

    Sein Auto war verwanzt.

    Nachträglich wurde dieser Beweis verworfen, aber der Mörder, der heute in Haft sitzt, hat einen Fehler gemacht: Er hat den Mord später in Vernehmungen zugegeben gerade aufgrund dieser Aussage.

    Hätte er geschwiegen oder bestritten, er wäre sofort ein freier Mann gewesen.

    Comment by Richter — 6.08, 2013 @ 17:47

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