Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

20.8.13

Sie bekämpfen Information und Transparenz

Der Herausgeber des Guardian hat der BBC gegenüber erklärt, dass Downing Street, also Premierminister David Cameron, unmittelbar in die Maßnahme des GCHQ gegenüber der Zeitung involviert gewesen sei, Festplatten mit den Snowden-Files zu vernichten. Die Hintergründe erläutert Alan Rusbridger im Guardian ausführlicher. Man kann der Ansicht sein, dass sich der britische Geheimdienst damit der Lächerlichkeit Preis gibt, aber es ändert nichts daran, dass wir es mit einem unmittelbaren und massiven staatlichen Eingriff in die Pressefreiheit zu tun haben, der eine Spielart der Zensur darstellt.

Die Regierung des Vereinigten Königreichs hat ganz offenbar ein erhebliches Interesse an dieser Informationsunterdrückung. Die britischen Dienste und ihre Regierung haben etwas zu verbergen, vor ihren eigenen Bürgern und vor der Weltöffentlichkeit. Denn ganz unabhängig davon, ob sich das was britische Geheimdienste tun, noch im Rahmen überzogener Antiterrorgesetze bewegt oder nicht, geht es darum, den Menschen das Ausmaß der Überwachung zu verheimlichen. Denn man hat Angst vor der öffentlichen Reaktion und davor, dass die öffentliche Diskussion ein Überwachungssystem erkennt und in Frage stellt.

Wer Lebensgefährten von Journalisten auf Grundlage von Antiterrorgesetzen stundenlang verhört und ihnen alle elektronischen Geräte abnimmt, dem kann man als Bürger nicht vertrauen. Den Aussagen einer Staatsmacht die so handelt, kann und sollte man keinen Glauben schenken. Wer Antiterrorgesetze derart exzessiv überdehnt und gegen Menschen zur Anwendung bringt, gegen die noch nicht einmal ein Hauch eines Terrorverdachts besteht, von dem muss man annehmen, dass er auch seine Telekommunikationsüberwachung in ähnlich maßloser Art und Weise organisiert hat. Die Übertretung von ohnehin zu weitreichenden Gesetzen ist selten offenkundiger gewesen, als in den Fällen, die uns in den letzten Tagen aus England berichtet wurden. Das Unbehagen verdichtet sich zur Gewissheit. Westliche Regierungen greifen zu den Mitteln von Diktatoren um kritische Berichterstattung zu unterbinden.

Es sind u.a. diese britischen Behörden, von denen sich Kanzleramtsminister Pofalla versichern hat lassen, dass sie sich an (deutsche) Gesetze halten. Wenn der GCHQ aber schon britisches Recht bricht, dann wird er sich wohl kaum um die Beschränkungen des deutschen Rechts scheren. Anders lautenden Versicherungen kann man keinen Glauben schenken.

Wer nichts zu verbergen hat, hat nichts zu befürchten? Es sei denn, man ist Journalist, Lebensgefährte eines Journalisten oder vielleicht ein beliebiger Blogger, der im Netz seine Meinung zu laut und zu deutlich artikuliert hat. Wir müssen letztlich über den Zustand unserer Demokratie reden, auch wenn das noch nicht überall angekommen ist. Denn die Feinde von Freiheit und Demokratie sind zahlreich.

Zur Causa Guardian habe ich heute noch folgende absolut lesenswerte Kommentare gefunden:

Wie viel Pofalla verträgt die Freiheit? (Timo Stein, Cicero-Online)
Angriff auf die Aufklärer (Stefan Plöchinger, SZ)
Die Zeitung der Zukunft – ein Ort der Freiheit (Dirk von Gehlen, Digitale Notizen)

posted by Stadler at 22:07  

16 Comments

  1. Sehr treffend formuliert. Auffallend war dazu, dass Reaktionen auf die Guardian-Meldung sehr schleppend erfolgten. Über Stunden war gar nichts zu vernehmen, dann meldeten sich DJV und ROG zu Wort. In Großbritannien wurde das Thema laut Korrespondenten sehr klein in den Medien gefahren. Und seitens der EU sowie ihrer Mitgliedsstaaten blieb es auch vernehmlich still. Was wäre wohl losgewesen, wenn das im Keller eines deutschen Blattes passiert wäre?

    Comment by Udo Stiehl — 20.08, 2013 @ 22:58

  2. Die Übergriffe der Behörden widerlegen in der Tat deutlich diesen Satz, man habe nichts zu befürchten, wenn man nichts zu verbergen habe. Ich habe das Problem vor Jahren mal bei Telepolis beschrieben: http://www.heise.de/tp/artikel/23/23625/1.html

    Wenn man so will, sind solche Zwangsmaßnahmen, wie sie Miranda widerfahren sind, eine Art „Strafe ohne Urteil“. Schon ein polizeilicher Verdacht ist unangenehm. Der unmittelbare behördliche Zugriff ist noch viel unangenehmer. Denn dieser bringt die Erfahrung des Ausgeliefertsein mit sich, während der Staat seine Zwangsmittel einsetzt. Auch Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmungen sind bereits eine Form der „Bestrafung“, selbst wenn man anschließend von jeglichem Verdacht freigesprochen wird.

    Der Satz „Wer nichts zu verbergen hat…“ funktioniert hier nur durch Definitionstricks, nämlich indem die behördlichen Zugriffe nicht als staatliche Gewalt verstanden wird. Allein die richterlich verhängte Strafe wird nach dem Verständnis als tatsächliche Bedrohung des Bürgers wahrgenommen – in diesem Fall als verdiente. Dass aber im Zuge von Ermittlungen der Staat bereits Zwangsmacht einsetzt, in die Privatsphäre eindringt, materiellen Schaden verursacht und Angst schürt, wird durch solche Definitionen verschleiert. Auch der unschuldige Bürger hat sehr wohl etwas zu befürchten.

    Comment by Michael Lohmann — 21.08, 2013 @ 08:38

  3. Und warum ist es im Westen so ruhig geblieben, als das Flugzeug von Präsident Morales zu einer Zwischenlandung in Wien gezwungen und gefilzt wurde?

    Comment by H. Trickler — 21.08, 2013 @ 09:29

  4. @Udo Stiehl
    Gar nichts wäre passiert, was man am Beispiel der Augsburger Allgemeinen sieht.
    Die Aktion wäre nachträglich als rechtswidrig verurteilt worden, die Bevölkerung beruhigt, aber passiert wäre absolut nichts!

    #Aufschrei gibt es nur, wenn ein hochrangige männliche Persönlichkeit den Busen einer Frau anschaut und mit Worten bekleckert.
    Das Volk ist dumm, ruhiggestellt und von den Medien manipuliert.

    Comment by Troll — 21.08, 2013 @ 11:27

  5. Britischer Premier steckte hinter Drohungen gegen den Guardian behauptet der britische Independent.

    Wenn das stimmt, dann hat mächtigste Mann im Staat versucht aktiv zu verhindern, dass bekannt wird, wie sehr die britische Regierung die Menschen im in und Ausland überwacht. Der Britischer Premier hält seinen Bürgern Informationen vor. Informationen, die sicher Wahlentscheidend sein sollten. Die Bürger sollen nach Cameron keine Wahl haben, als den Überwachungsstaat – oder was immer die Regierung plant – zu akzeptieren.

    Noch einmal: Aufklärung findet nicht nur nicht statt, sie wird aktiv verhindert. Offensichtlich sind für Cameron die Bürger unfähig die richtigen Entscheidungen zu verstehen.

    Dies ist kein demokratisches Verhalten mehr. Vernünftige, wissensbasierte Entscheidungen werden unmöglich. Das entspricht nicht unserem Grundgesetz, dass die Machtfrage in Art 20 GG eindeutig klärt. Dass England keine Verfassung besitzt ist irrelevant. In England sollte genau wie hier Demokratie herrschen.

    Der Istzustand kann nur noch als Post-Demokratie bezeichnet werden. Nach außen perfekt, nach innen aber nur auf Machterhalt ausgerichtet.

    Fehler werden geleugnet und versteckt, notfalls auf Dritte abgeschoben. Wistleblower werden bedroht, gar als Verräter wie Mörder bestraft. Die Täter werden aber gedeckt. Begründet wird das dann mit Terror. Belege werden erfunden, zu günstigen Zeitpunkten generiert, es wird übertrieben und manipuliert, nur damit wir die heimlichen Maßnahmen akzeptieren.

    Und alles, wirklich alles geschieht streng nach Recht und Ordnung?

    Nun, es ist bald Wahl. Liebe anständige Politiker: beweist mir dass ihr der Wahl würdig seit. Den Vertrauensvorsprung hat auch Deine Partei mit verspielt. Beweist mir, das ihr meine Dystrophie verhindern werdet. Selbst für den Preis zeitweise auf unter 20% zu sinken. In dieser Frage haben wir wirklich keine Wahl.

    Comment by Joachim — 21.08, 2013 @ 13:14

  6. Liebe anständige Politiker: beweist mir dass ihr der Wahl würdig seit.

    Das ist ja wohl ein Witz. „Anständig“ und „Politiker“ im selben Körper sind genauso unmöglich, wie es das mit Materie und Antimaterie wäre. Die Existenz eines anständigen Politikers würde eine Explosion auslösen, nach der von Deutschland nichts mehr übrig wäre.

    Comment by Rangar — 21.08, 2013 @ 15:06

  7. He, einige meiner besten Freunde sind Politiker!

    Frei nach der „KI“ Eliza auf rassistische – nicht bös‘ gemeint! – Äußerungen: „he, some of my best friends are …“.

    Aber ich verstehe schon was Du meinst. Du hast Recht. Es obliegt der Politik das Gegenteil zu beweisen. Tut sie es nicht, so kommt die Explosion so oder so.

    Dumm nur: WAS WIRD MIT DER DEMOKRATIE?

    Tja, da heist es einfach nach dem 22. September:
    „Spock, do something!“
    „He is death Jim“

    Was tun Herr Politiker? Ihr seit schon im richtigen Blog. Thomas Stadler erklärt das weit besser als ich. Lesen bildet.

    und lasst die Sch…. mit dem Blaumann auf den Plakaten und den netten Familien. Niemand nimmt Euch das noch ab.

    Comment by Joachim — 21.08, 2013 @ 16:21

  8. Die Reaktionen in der britischen Presse waren tatsächlich mau. In unserem Meinungsüberblick finden sich neben empörter deutscher Presse eher vage „Wired“ und das Blog „Liberal Conspiracy“:

    http://pressekompass.net/guardian-affare-good-bye-pressefreiheit/

    Comment by Sebastian Brauns — 21.08, 2013 @ 17:04

  9. Ein Nixon wäre heutzutage nicht mehr zurückgetreten.

    Comment by Grundgesetz — 22.08, 2013 @ 11:48

  10. Engagiert Euch?

    Aktueller Aufruf über Twitter:

    „23.08.2013, 17 h, Rechtsanwaltsdemo für #Pressefreiheit vor britischem Konsulat Hamburg, Neuer Jungfernstieg 20. #greenwald #miranda“

    https://twitter.com/FGvWestphalen

    Comment by Pressekritik — 22.08, 2013 @ 12:29

  11. Miranda hat heute teilweise vor dem High Court gewonnen

    http://edition.cnn.com/2013/08/22/world/europe/glenn-greenwald-nsa-fallout/index.html?utm_source=twitterfeed&utm_medium=twitter&utm_campaign=Feed%3A+rss%2Fcnn_latest+%28RSS%3A+Most+Recent%29

    Live berichtet Robert Booth

    https://twitter.com/Robert_Booth/status/370531200449785856

    Comment by Pressekritik — 22.08, 2013 @ 15:29

  12. Wie sieht denn die deutsche Rechtsprechung „öffentliches Interesse“ und haben die Amis ein ähnliches Konzept?

    Comment by Mirco — 22.08, 2013 @ 16:06

  13. Ich fürchte, Troll hat recht :-(

    Comment by Frank — 22.08, 2013 @ 23:03

  14. Neuigkeiten, die einiges erklären:

    http://www.heise.de/newsticker/meldung/NSA-Affaere-Briten-sollen-im-Nahen-Osten-Unterseekabel-anzapfen-1941010.html

    Comment by Pressekritik — 23.08, 2013 @ 11:00

  15. Sind die „Anwälte – Verteidiger der Menschenrechte?“

    Man darf gespannt sein, ob dieser aktuelle Fall mit Blick auf die EMRK (Pressefreiheit und Recht von Miranda auf einen Anwalt), der Fall Mollath u.a. hier thematisiert werden:

    http://www.anwaltverein.de/downloads/DAV-Forum-Menschenrechte-FINALAnsicht.pdf

    Comment by Pressekritik — 23.08, 2013 @ 13:18

  16. The Guardian möchte jetzt seine Tätigkeit zusammen mit einem US-Blatt in die USA verlagern. Sie meinen, dort habe die Pressefreiheit noch einen Wert, in GB gäbe es sie nicht mehr. Es stimmt mich doch nachdenklich, wenn man von GB in die Staaten geht, anstatt sich auf Europa zu konzentrieren. Deutschland spielt anscheinend keine Rolle oder wird von The Guardian als Land angesehen, in welchem die Pressefreiheit ebenfalls in Gefahr ist. Da kommt man ins Grübeln. Gerade in die USA? Eine Lachnummer?? Dumm? Wobei man zugeben muß, daß nach Spiegel, Süddeutsche und Zeit nichts mehr kommt in Deutschland. Ein trauriger Zustand im deutschen Pressewald. Waldsterben? Sicher nicht, denn wo nichts wächst, kann auch nichts sterben.

    Comment by Volkmar — 24.08, 2013 @ 18:04

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