Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

31.7.13

Lobo ist Schily auf den Leim gegangen

Sascha Lobo hat in den letzten Wochen sehr viele richtige Dinge zur Überwachung unserer Kommunikation durch Geheimdienste gesagt und ich bin froh, dass wir einen wie ihn haben, der die Dinge auch im Fernsehen gekonnt zuspitzen, leicht vereinfachen und verständlich formulieren kann.

Aber gestern habe ich mich über einen seiner Texte erheblich geärgert. Wer Otto Schilys Aussage zustimmt, das was die NSA tue, unterscheide sich kaum von der Vorratsdatenspeicherung, verharmlost die Tätigkeit der NSA gewaltig. Und genau das hatte Otto Schily mit seinem schiefen Vergleich beabsichtigt.

Die Vorratsdatenspeicherung sieht bzw. sah vor, dass TK-Anbieter Verbindungsdaten und auch Standortdaten anlasslos für die Dauer von sechs Monaten speichern müssen und unter gewissen Voraussetzungen an Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden herauszugeben haben. Weil der Gesetzgeber die Voraussetzungen unter denen Behörden Daten anfordern dürfen, zu großzügig und nicht klar genug geregelt hatte, war die bisherige Regelung verfassungswidrig.

Warum es in den USA keine explizite Regelung zur Vorratsdatenspeicherung gibt, zeigt eine Enthüllung von netzpolitik.org. Wer auf dem USA-Markt TK-Dienste anbietet, muss mit der US-Regierung und dem FBI eine Überwachungsvereinbarung treffen und sich zur Lieferung u.a. von Verbindungsdaten verpflichten. Diese Vereinbarungen entsprechen am ehesten der deutschen bzw. europäischen Regelung zur Vorratsdatenspeicherung, wenngleich auch sie deutlich über das hinausgehen, was wir als Vorratsdatenspeicherung kennen.

Die Tätigkeit der Geheimdienste folgt diesseits und jenseits des Atlantiks allerdings anderen Regeln und fußt auf deutlich weitergehenden Kompetenzen. Auch der BND überwacht das Internet und die Telelkommunikation in einem mit der Vorratsdatenspeicherung nicht vergleichbaren Ausmaß.

Die NSA greift Verbindungsdaten direkt ab, der Umweg über den Provider ist insoweit jedenfalls anders als bei der Vorratsdatenspeicherung unnötig. Mittlerweile wissen wir außerdem, dass die NSA auch Kommunikationsinhalte wie E-Mails, Chatprotokolle oder auch die Browserhistorie speichert. Und das erlaubt die Vorratsdatenspeicherung überhaupt nicht.

Der Vergleich Schilys zwischen Vorratsdatenspeicherung und den NSA-Programmen, diente ersichtlich der Verharmlosung dessen, was Geheimdienste tatsächlich machen. Lobo wollte mit seinem Text eigentlich die Heuchelei der SPD entlarven, aber leider ist er zuvor Otto Schily auf den Leim gegangen. Das was medial unter dem Schlagwort „Prism“ zusammengefasst wird, unterscheidet sich qualitaitiv und quantitativ sehr deutlich von dem was wir Vorratsdatenspeicherung nennen. Vergleiche verbieten sich daher.

posted by Stadler at 17:37  

18 Comments

  1. Lieber Thomas, Du merkst zum Schluss hin ja selbst, dass Du neben der Spur liegst, indem Du behauptest, ich hätte nicht das Detailprogramm PRISM gemeint, sondern den gesamten medialen Begriff. Das ist nicht richtig, vielmehr lautet das entscheidende Zitat:
    „…zur NSA-Speicherung von monatlich Hunderten Millionen Verbindungsdaten hat Schily einen verräterischen, weil korrekten Satz gesagt: ‚Das wäre im Prinzip die gleiche Methode, die wir als Vorratsdatenspeicherung kennen.‘ “

    Da habe ich nochmal am Anfang explizit definiert, welcher Teil der NSA-Aktivitäten mit der Vorratsdatenspeicherung vergleichbar ist. Anschließend habe ich mich auf die Rote Linie konzentriert, die für mich tatsächlich das Entscheidende ist.

    Insofern nehme ich Dein Lob am Anfang des Textes gern entgegen und weise die Kritik mit dem Hinweis zurück, dass es weder so gemeint ist, wie Du es verstanden hast, noch – aus meiner Perspektive – allzu missverständlich ist.

    Comment by Sascha Lobo — 31.07, 2013 @ 17:55

  2. Verdammt, da sollte am Ende ein famoser Zwinkersmiley stehen, um die sanfte Schärfe des Tons im Kommentar abzumildern.

    Comment by Sascha Lobo — 31.07, 2013 @ 17:56

  3. Man müsste „Terroristenbekämpfung“, exekutiert durch Leute wie z. B. besagten ehemaligen Terroristenverteidiger, der mit der Ausbeutung des Terrors seine durchaus beachtliche Karriere angefeuert hat, in reguläres Deutsch übersetzen. Das hieße dann
    „organisierte Panikmache“, um ein verfassungswidriges Gesetz nach dem anderen jahrzehntelang durchzubringen.

    Das Risiko, bei einem Unfall zu sterben ist millionenfach höher als durch einen Anschlag….und die faktische Bilanz der „Bekämpfung“ besteht in einem Wust verfassungswidriger Gesetze und sonstiger dubioser Akte, bei einer Sicherheitslage, welche in den Zustand der Anarchie abdriftet.

    Comment by Arne Rathjen, Rechtsanwalt — 31.07, 2013 @ 18:21

  4. Ach Lobo,
    wenn du Schily einen richtigen Satz unterstellst, ist es vollkommen egal, was du dir vorher definiert hast. Es gilt dann das, was Schily gesagt hat bzw. wie seine Aussage in der Öffentlichkeit wahrgenommen wurde.
    Und bei uns in der Offlinerealität der Nicht-Spiegel-Abonnenten bleibt von Schilys Palaver eben „PRISM = VDS“, was du mit deiner Kolumne als richtig bestätigt hast.
    Die Wahrnehmung des Rests der Welt kann man zwar ignorieren, sollte sich dann aber nicht wundern, wenn der Rest der Welt die Botschaften aus deiner Realität falsch versteht.

    Comment by sprech.sucht — 31.07, 2013 @ 18:27

  5. Dem Lob schließe ich mich uneingeschränkt an, der Kritik nicht ganz. Die Überschrift ist sehr gelungen und treffend. Den nachfolgenden Text kann man in der Tat hier und da etwas falsch verstehen, aber S. Lobo trifft mal wieder den Kern: „Wollen wir eine digitale Überwachung des gesamten Volks und Speicherung ihrer Inhalte für 1, 3, 6 oder 12 Monate, um ggf. etwas mehr Sicherheit zu haben?“. Hierzu gibt es nur ein Ja oder Nein!

    Comment by USchwerd — 31.07, 2013 @ 19:33

  6. Lieber Sascha,
    dass ich neben der Spur liege, habe ich überhaupt noch nie bemerkt. ;-) Du schreibst:

    Was die NSA tue, unterscheide sich doch kaum von der Vorratsdatenspeicherung, sagt Schily. Da hat er recht

    Was die NSA tut ist doch ziemlich umfassend. Der @rigow hat es auf Twitter ganz gut zusammengefasst. Ihr beide – Du und Schily – vergleicht ein Fahrrad mit einem Flugzeug. Das trifft es m.E. ganz gut.

    Dieser Vergleich – als Einsteig und Ankerpunkt Deines ganzen Beitrags – ist im Ansatz falsch und argumentativ brandgefährlich.

    Comment by Stadler — 31.07, 2013 @ 21:15

  7. Tja, das alte Problem, das hatten wir schon bei Deinem letzten kritischen Artikel. Die von Dir zitierte Stelle ist nicht in meinem Text.

    Auf die Überschrift und den Einstiegstext habe ich exakt null Einfluss. Das ist Sache der Redaktion. Mir ist völlig klar, dass Außenstehenden und Lesern das exzeptionell egal sein mag, aber hier in dieser trauten Runde erklärt es vielleicht unsere Differenzen.

    Comment by Sascha Lobo — 31.07, 2013 @ 21:23

  8. Dann solltest Du vielleicht darauf dringen, den Einstiegstext selbst schreiben zu können. Du weißt, es gibt Leute, die lesen nur den. Der Spiegel-Redakteur hatte aber dann dasselbe Verständnisproblem wie ich. Meinst Du nicht auch?

    Comment by Stadler — 31.07, 2013 @ 21:28

  9. @7: „Denn zur NSA-Speicherung von monatlich Hunderten Millionen Verbindungsdaten in Deutschland hat Schily einen verräterischen, weil korrekten Satz gesagt: „Das wäre im Prinzip die gleiche Methode, die wir als Vorratsdatenspeicherung kennen.“

    Obiger Satz ist nicht von der Redaktion. Und darin wird die Aussage von Schily als „korrekt“ bewertet.

    Comment by M. Boettcher — 31.07, 2013 @ 22:30

  10. Sind wir hier im Kindergarten? Der zitierte Text ist nicht von mir sondern von der Redaktion ??!!

    Hier hat wohl jemand ein Problem mit – m.E. berechtigter – Kritik? Einfach mal drüber nachdenken und demnächst besser machen, statt hier die Schuld „der Redaktion“ unterzuschieben. Wenn schon Journalisten anfangen, die Verantwortung für Texte unter (bzw. über) denen ihr Name steht abzuschieben, wie können wir dann von Politikern erwarten, dass sie für Versäumnisse ihrer Behörden gerade stehen?

    Comment by Tim — 1.08, 2013 @ 08:10

  11. In meinen Augen ist es interessant, wie unterschiedlich die Sichtweisen da sein können.

    Genau wie der „Verharmlosungsvergleich“ unserer Frau Bundeskanzler (von http://www.zeit.de/politik/deutschland/2013-07/interview-zeit-merkel-nsa : „Das sind zwei völlig verschiedene Dinge, und solche Vergleiche führen nur zu einer Verharmlosung dessen, was die Staatssicherheit mit Menschen in der DDR angerichtet hat.“) wird auch hier in der Kritik an Sascha Lobos Artikel bei dem Vergleich („verharmlost die Tätigkeit der NSA gewaltig“) davon ausgegangen, das etwas weniger schlimm dargestellt werden soll als angemessen.

    Bei mir kommt das eher andersherum an: die Vorratsdatenspeicherung wird dadurch deutlicher als weiterer Schritt in eine gefährlichere Richtung dargestellt, so wie die von Frau Merkel verteidigte Überwachung der Geheimdienste der Schritt in die Richtung der gefährlichen Überwachungen der Staatssicherheit ist.

    So herum wird für mich ein Schuh draus: da wird nicht das Eine verharmlost, sondern das Andere als potentiell gefährlich dargestellt – was in meinen Augen dringend notwendig ist, um weiter aufzurütteln. Und das halte ich gerade in der Offlinewelt (netter Ausdruck) für in zunehmendem Maße wichtig.

    Comment by Anonymous — 1.08, 2013 @ 08:31

  12. S. Lobo sollte bedenken, dass Herr Schily für die sog. Sicherheitsgesetze der Jahre 2002 und 2003 verantwortlich ist, die der Terrorabwehr dienen sollen. Wenn man die liest, weiß man, wie O. Schily tickt.

    Und dann muss man Herr Stadler Recht geben, dass S.Lobo dem „Charme“ der Ausführungen von Herr Schily erlegen ist. Das ist zwar schlimm, kann aber schon mal passieren. Man sollte dann aber eben auch dazu stehen!

    Comment by Harry — 1.08, 2013 @ 08:56

  13. Da… ne Dose 30 Jahre alten Schily
    https://www.youtube.com/watch?v=Eb67kvXFxqs

    Comment by borgdrone — 1.08, 2013 @ 11:16

  14. was geschieht denn hier?

    Stadler zeigt ein Missverständnis auf. Und Sascha Lobo erklärt das plausibel. Nun würde ich mich bei Beiden sehr ernsthaft bedanken und zum Thema zurück kehren.

    Thema bedeutet: Die VDS ist hyperkritisch. Es existiert durchaus eine Verbindung zu Prism. Ohne eine wie auch immer geartete VDS ist Prism nicht möglich. Die Identität ist analog zu der Identität die eines Fötus zum später geborenen Lebewesen. Prism ist nur ein nächster Level der Machbarkeit nach der Vorratsdatenspeicherung, die VDS das „süße“ Tigerbaby, Prism die jugendliche Raubkatze.

    Prism zeigt eine mögliche Realität, die dem VDS-Denken erwachsen kann oder nach meiner Meinung dem VDS-Denken erwachsen ist.

    Und diese Realität hat gerade erst begonnen.

    Wie lange wird es dauern bis jemand schreibt, Big Brother gleichzusetzen mit prism verharmloste die Tätigkeit der Regierung Ozeaniens gewaltig?

    Natürlich wird das niemals geschehen. Denn in diesem Stadium werden alle „Seele(n) weiß wie Schnee“. Folglich wird es niemand mehr schreiben können.

    Comment by Joachim — 1.08, 2013 @ 17:06

  15. Ich habe SPON gerade angeschrieben. Ich möchte wissen, welche Voraussetzungen man mitbringen muß, um dort ein Blog zu veröffentlichen. Ein Blatt, daß seine zwei Chefs (online und print) in diesem Jahr gefeuert hat, weil sich die Böckchen so gezankt haben, ist mir eh nicht mehr koscher. Ich möchte wissen, ob Lobo, der penetrant auftritt, wenigstens eine entsprechende Berufsausbildung hat. Programmierer, Informatiker oder ähnlich. Wenn nicht, dann möchte mein Klempner auch dort schreiben als Fachmann für Online-Recht und Vertreter der Webgemeinde. Auf Antwort bin ich gespannt, oder reicht es, sich eine auffällige Frisur zu zaubern und das dumme Maul aufzureißen?

    Comment by Luca Delgado — 2.08, 2013 @ 18:34

  16. Sascha Lobo, keine Ausbildung, Ex-Sozialhilfeempfänger, schwer vermittelbar, jetzt freiberuflich tätig.

    Comment by Arbeitsamt — 2.08, 2013 @ 20:28

  17. @ 15
    Um in deutschen Talkshows auftreten zu dürfen, muss man halt die „richtigen“ Leute kennen …

    http://www.referentenagentur-bertelsmann.de/speaker/161744/

    Comment by doc-rofl — 2.08, 2013 @ 22:12

  18. Wenn ich Alvar trotz möglicher sprachlicher Unklarheit richtig verstehe, sagt er: Man solle zwischen den Verkehrsdaten bei Internet- und bei Kommunikationsanbietern unterscheiden. Bei Internetanbietern fallen bei ihm wohl hauptsächlich die IP-Adresse und Verbindungsdauer an: “Beim Speichern von IP-Adressen auf Vorrat sehe ich keine große Gefahr”. Wenn es dann eine “konkrete Überwachungsanordnung” gebe, könnten Ermittler darauf zugreifen.

    Comment by gold price — 3.08, 2013 @ 15:05

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