Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

12.3.13

Bundesregierung will Störerhaftung für W-LANs nicht gesetzlich regeln

In verschiedenen Bundesländern gab es Bemühungen, auf eine gesetzliche Regelung zur Einschränkung der Störerhaftung von Betreibern offener W-LANs hinzuwirken. Die Linke hat auch einen Gesetzesentwurf in den Bundestag eingebracht.

Die Bundesregierung sieht nach einem aktuellen Bericht von SPON aber keinen Handlungsbedarf und will vielmehr eine Entscheidung des BGH abwarten.

Was der BGH im Bereich der Störerhaftung entscheidet, bewegt sich äußerst nahe an einer Ersatzgesetzgebung. Die Grenzen zur Rechtspolitik sind an dieser Stelle fließend. Die Kritiker der Störerhaftung haben seit jeher darauf verwiesen, dass die Störerhaftung eine voraussetzungsarme aber haftungsreiche Rechtskonstruktion sei. Und das beschreibt es auch sehr trefflich. Die Störerhaftung verfügt letztlich über keine vernünftige dogmatische Grundlage, sondern stellt im Ergebnis nichts weiter dar als Billigkeitsrechtsprechung. Und was angemessen ist, entscheidet dann eben nicht der Gesetzgeber, sondern in urheberrechtlichen Fragen die Richter des I. Senats des BGH. Was dabei herauskommen kann, verdeutlicht die fragwürdige „Sommer unseres Lebens“ Entscheidung des BGH wohl am Deutlichsten. Hier zeigt sich eine Fehlentwicklung, die zu korrigieren wäre.

Der BGH hat sich in den Filesharingfällen außerdem dazu entschlossen, äußerst eng am jeweiligen Sachverhalt zu bleiben und gerade nicht zu einem Rundumschlag auszuholen. Wir werden deshalb noch Jahre warten müssen, bis halbwegs alle relevanten Fallkonstellationen entschieden sein werden.

Der Eindruck, dass diese Bundesregierung gerade beim Thema Netzpolitik, aber nicht nur dort, äußerst mutlos agiert, drängt sich nicht zum ersten mal auf.

posted by Stadler at 16:51  

8 Comments

  1. Es war grober Unfug von der SPD, die Exekutive mit der Gesetzgebung zu beauftragen. Diese verweigert sich einfach wie in allen anderem netzpolitischen Fortschritt und wie bei der Energiewende. Man erblödet sich sogar, von der Exekutive nun den Gesetzgebungsauftrag an die Judikative weiter zureichen.

    Dabei hätte die einfache Änderung im TMG gereicht. Aber die SPD wollte mal wieder nicht. Sie wollte es lieber kompliziert und am Ende gar nicht haben. Vertane Zeit. Bleierne Zeit. Netzpolitischer Stillstand und politische Totalkapitulation beider Kammern des Parlamentes.

    So sieht sozialdemokratischer Politikverzicht aus:
    http://www.hansjoerg-schmidt.de/mywp/2012/08/09/freies-wlan-in-hamburger-parks/

    Im Ausland ist das Thema Störerhaftung nirgendwo ein Thema. Wahrscheinlich wäre es das beste, dass einige beherzte Kläger um ihre Menschenrechte klagen, das sie nicht weiter von der Judikative so böswillig herabgesetzt werden.

    Comment by Wolfgang Ksoll — 12.03, 2013 @ 18:15

  2. http://www.heise.de/tp/artikel/32/32466/1.html (19.04.2010)

    Die Frage, inwieweit hier der richterlichen Rechtsfortbildung an sich schon Grenzen gesetzt sind, kann dahinstehen, denn jedenfalls mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 02.03.2010 zur Vorratsdatenspeicherung (Az. 1 BvR 256/08 u.a.) ist geklärt, dass es Aufgabe des Gesetzgebers ist, die hier betroffenen Grundrechtsbelange abzugrenzen. Das BVerfG hat in dieser Entscheidung eine Pflicht des Gesetzgebers zu differenzierten Regelungen hergeleitet. Es kann deshalb nicht in der Hand der Rechtsprechung liegen, den „Markt“ der Anbieter freien Internetzugangs aufgrund allgemeiner zivilrechtlicher Grundsätze durchzunormieren. Dementsprechend hat der VI. Zivilsenat des BGH in seinem Urteil vom 23.6.2009 (Az. VI ZR 196/08 – spickmich) aus dem Gesetz ein – so ausdrücklich – „Recht des Internetnutzers auf Anonymität“ hergeleitet und es deshalb abgelehnt, mit der Anonymität der Internetnutzung Einschränkungen für diejenigen zu begründen, die den Nutzern gewerblich den Zugang zum Internet gewähren.

    Comment by O. García — 12.03, 2013 @ 18:34

  3. Berlin – Die Bundesregierung will nach monatelangem Ringen den Gesetzentwurf zum Schutz vor Abzocke am Telefon und im Internet auf den Weg bringen. Die Blockadehaltung beim Koalitionspartner sei überwunden worden, so FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle. Morgen soll das Kabinett die Novelle beschließen, mit der überzogene Abmahnkosten bei Urheberrechtsverletzungen gestoppt werden sollen. „Das Gesetz soll verhindern, dass massenhaft verschickte Abmahnungen mit unseriösen Hintergründen weiterhin als Geschäftsmodell genutzt werden können.”

    .

    via BILD

    Comment by Franzy — 12.03, 2013 @ 19:35

  4. Die Rüge ist teilweise zurecht erhoben.

    Die aktuelle Rechtsprechung verstößt jedenfalls gegen Grundrechte, siehe genauer: http://www.grehsin.de/blog/stoererhaftung-sekundaere-darlegungslast-und-verfassungsrecht

    Comment by Rechtsanwalt Grehsin — 12.03, 2013 @ 21:13

  5. Frau Merkel ist eben die Ziehtochter von Hrn. Kohl: Probleme werden ausgesessen, bis man sie endgültig nicht mehr ignorieren kann.
    Es ist tatsächlich ein Wunder, dass wir bisher(!) so gut durch die Krise gekommen sind, denn auch bei uns gibt es einigen Reformbedarf, nicht nur beim Thema Netzpolitik.

    Comment by Trollfresser — 13.03, 2013 @ 09:09

  6. Netzpolitik ist also, wenn man das Internet zu einem rechtsfreien Raum verkommen lässt?

    Verblödung ist vor Allem in den obenstehenden, rückwärtsgewandten Kommentaren herauszulesen.

    Comment by Mark — 13.03, 2013 @ 12:46

  7. @Mark

    Das Internet ist schon lange ein rechtsfreier Raum. Vor allem für diejenigen, welche sich damit auskennen.

    Der Wunsch, das Web zu zähmen, ist für viele zwar ein netter Gedanke, ist allerdings zum Scheitern verurteilt.

    Ich kann immer nur müde lächeln, wenn ich derartige Bemühungen feststelle.

    Das Web ist und bleibt so rechtsfrei, wie es in dessen Ursprüngen mal war. Es wird niemals eine weltumspannende Absprache und Gesetze geben.

    Das unschuldige Web gibt es genausowenig, wie es die Möglichkeit gibt, aus allen Menschen keine Mörder mehr zu machen. Ein Wunschtraum, eine Seifenblase.

    Man kann nicht alle bewachen. Menschen machen, egal wo, was sie wollen.

    Und damit hat man zu leben.

    Comment by Doc Tunto Rascher — 13.03, 2013 @ 21:21

  8. @Doc Tunto Rascher

    Jaja. Ich kann immer nur müde lächeln, wenn Leute behaupten, das Netz sei ein rechtsfreier Raum. Wenn es die Zeiten gegeben hat, dann sind sie bereits lange vorbei.

    Selbstverständlich wird es immer enige Wenige – und in kurzen Phasen auch mal ein paar mehr – geben, die sich gut genug auskennen um Gesetze zu umgehen/missachten. Interessant ist aber lediglich der Mainstream und darüber hinaus der gesellschaftliche Konsens, dass es grundsätzlich eine Rechtsordnung gibt, die es zu beachten gilt und im Rahmen derer man Rechte durchsetzen kann.

    Es gibt im WWW ebenso wie in der übrigen Welt keine Garantie dafür, dass die jeweilige Rechtsordnung geeignet ist, beachtet wird oder durchgesetzt werden kann. Nur weil es aber ggf. rechtsfreie Nischen gibt, heißt das nicht, dass das Rechtssystem grundsätzlich nicht funktioniert. Es muss sich nur von Zeit zu Zeit den umständen anpassen, um wieder zu greifen.

    Comment by Mark — 18.03, 2013 @ 16:12

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