Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

7.11.12

Eine neue Version ist verfügbar: Ein Interview mit Dirk von Gehlen

Der Journalist und Autor Dirk von Gehlen hat im letzten Jahr das vielbeachtete Buch „Mash Up – Lob der Kopie“ veröffentlicht, eine Lektüre die ich im Kontext der Diskussion um den Begriff des geistigen Eigentums gerade auch Juristen empfehlen kann, die bereit sind, sich mit den Grundannahmen auf denen unsere Idee vom Urheberrecht fußt, kritisch auseinanderzusetzen.

Als Nachfolgeprojekt stellt von Gehlen derzeit „Eine neue Version ist verfügbar“ vor. Es handelt sich um ein Buchprojekt, das die Leser und Unterstützer im Wege des Crowdfunding mitfinanzieren und vor allen Dingen auch mitgestalten sollen. In thematischer Hinsicht wird von Gehlen der Frage nachgehen, wie die Digitalisierung unsere Vorstellung von Büchern, von Kunst und Kultur verändert.

Was man sich unter dem Projekt „Eine neue Version ist verfügbar“ genau vorzustellen hat, erläutert Dirk von Gehlen in dem ersten Interview, das dieses Blog überhaupt geführt hat.

Herr von Gehlen, Sie haben unter dem Titel „Eine neue Version ist verfügbar“ ein neuartiges Buchprojekt angekündigt, für das Sie im Netz um Unterstützung bitten. Was muss ein Unterstützer tun, was erwarten Sie von Ihm und auf was lässt er sich ein, wenn er Ihr Projekt unterstützt?

Die Unterstützer kaufen ein Buch, das noch nicht geschrieben ist. Gemeinsam stellen wir damit die gelernte Art, Bücher zu schreiben (und auch jede andere Form, Kultur zu produzieren) auf den Kopf: Bisher ist es üblich, dass der kreative Schöpfer in seiner Denkerstube sitzt und den Entstehungsprozess seines Werks geheim hält. Durch die Digitalisierung und die Vernetzung ist es möglich, diesen Prozess zu öffnen und transparent zu machen. So entsteht nicht bloß ein singuläres, unveränderliches Kunstwerk wie bisher, es entstehen Versionen. Ich vergleiche das mit der Art wie wir Software denken, eben auch nicht in einem festen unveränderlichen Gegenstand, sondern in flüssigen Varianten. Ich glaube, dass die Digitalisierung es möglich und vielleicht auch nötig macht, auch Kultur als Software zu denken. Deshalb heißt das Buch „Eine neue Version ist verfügbar“ und deshalb handelt dieses Buchexperiment nicht nur von der Verflüssigung von Inhalten, es probiert diese auch selber aus – übrigens mit einem erstaunlichen Erfolg, der mich sehr freut. Das Projekt läuft seit rund zwei Wochen und hat schon fast 7000 Euro eingesammelt.

Was wird den Leser voraussichtlich erwarten, wenn er irgendwann im nächsten Jahr das Buch in Händen hält? Das Thema haben Sie mit der Frage „Wie verändert die Digitalisierung Kunst und Kultur?“ schon umschrieben. Können Sie den Lesern meines Blogs bereits eine grobe inhaltliche Vorschau bieten?

Bis es dazu kommt, wird der Leser – so er oder sie das will – Bestandteil des Entstehungsprozesses des Buchs. Ich werde ab Ende Dezember wenn die so genannte Fundingphase auf Startnext endet, Versionen des Buches  veröffentlichen, also transparent machen wie das Buch entsteht. Ziel dessen ist, die Leser, die das wollen, miteinzubinden, ihnen Versionen des Buches zu zeigen und so – wenn das gewünscht ist – auch in Diskussionen einzusteigen. Ich weiß nicht, ob das funktionieren kann, ich will es aber ausprobieren, weil ich glaube, dass wir das Netz eher wie einen Raum denken müssen als wie eine reine Transportrampe. Dieser Raum ist für mich ein wenig wie ein Künstlersalon, in dem der Rezipient auch zum aktiveren Teilnehmer werden kann, in dem er Links, Hinweise oder Anmerkungen beisteuert. Vielleicht will er aber auch einfach nur beobachten, wie wirr ich anfange zu schreiben, wie ich Tippfehler mache und wie aus all dem dann ein fertiges Buch lektoriert wird, das dann – so ist es geplant – im Mai 2013 verschickt wird.

Wer wird das Buch letztlich schreiben? Wird es vollständig von Ihnen verfasst werden oder wollen Sie (nur) die Fragmente zusammensetzen, die Ihnen andere liefern? 

Nach meiner derzeitigen Annahme bin ich der Verfasser, allerdings weniger im Sinne eines göttliche Schöpfers als mehr wie ein Gastgeber in einem Künstlersalon. Ich weiß nicht, wie sich das entwickelt und ob das klappen kann, aber das primäre Ziel ist es, meinen Gedanken von Kultur als Software (hier mal für den BR notiert: http://www.br.de/radio/bayern2/sendungen/zuendfunk/netz-kultur/netz/von_gehlen102.html) auszuformulieren. Ich bleibe also der Autor, will diese Rolle aber digitaler interpretieren. Denn nach meinen ersten Buch „Mashup – Lob der Kopie“ habe ich gemerkt, dass wir als Gesellschaft noch recht ratlos vor den Möglichkeiten der digitalen Kopie stehen und eher darüber nachdenken, wie man sie einschränken kann als in ihre eine Chance zu sehen, die man nutzen kann für eine veränderte Form der Kunstproduktion.

posted by Stadler at 17:31  

Ein Kommentar

  1. Glückwunsch zu diesem ersten Interview!

    Ich denke auch, dass sich noch sehr, sehr viele KooperationsKonzepte entwickeln können, wenn man die realen Möglichkeiten des gemeinsamen Schöpfens mithilfe digitalen Equipments und intelligenter Vernetzung wirklich entsprechend nutzt.

    Es ist aberwitzig, dass sich das InternNet zum gro0ßen Teil durch Werbung finanziert; Werbung, welche Einige von ihrem Gewinn steuerlich absetzen können, um dadurch weniger in die öffentliche Kasse einzahlen zu müssen – sprich: Letztendlich werden heute viele privaten MedienKartelle, wie auch das InterNet, wie auch VerwertungsRechte von der Öffentlichkeit finanziert, aber von privaten InteressenGruppen gesteuert und kontrolliert!

    Dieser eigentliche Wahnsinn wird noch potenziert, indem das InterNet eben von diesen PrivatKartellen genutzt wird, Informationen, Medien, KunstWerke etc. unzugänglich zu machen oder gar zu vernichten – siehe Depublizieren!

    Und nun folgen ein paar Zeilen, für welche ich mich etwas geniere (noch bevor ich sie schreibe).
    Ich lebe – ebenso wie bspw. der SpringerVerlag – auf StaatsKosten… bin ein studierter Philosoph und KulturWissenschaftler… und ‚existiere‘ durch/von Hartz_IV.

    Vor einigen Jahren begann ich ein Projekt. Es ging darum, zu beweisen, ob es als Philosoph möglich ist, eine ‚reine‘ bzw. ‚verrückte‘ Idee in ‚Wirklichkeit‘ zu verwandeln. Ich dachte mir ein Spiel aus, es heißt „Skach“ – eine Synthese von Schach und diversen KartenSpielen. Herausgekommen ist ein Spiel, welches sehr viel einfacher und gleichzeitig auch sehr viel komplexer als Schach zu spielen geht. Nun existiert ‚Skach‘ seit geraumer Zeit als ProtoTyp – aber zu dem ‚RealitätsProjekt‘ zählt auch die einigermaßen erfolgreiche Vermarktung. Ebenso wie bei Dirk von Gehlens BuchProjekt kann man das Spiel – vor der eigentlichen Produktion – online kaufen und erst ab einer bestimmten Menge von Käufen ist es möglich, die ProduktionsKosten aufzubringen.
    Dabei stößt man auf ein Problem, welches schon in der konventionellen MedienLandschaft zu beobachten ist… aber zunehmend auch im InterNet an Bedeutung gewinnt – der BekanntheitsGrad.

    Ein kleines GedankenExperiment:
    Nehmen wir an, Goethe und Einstein würde beide heute leben, Goethe wäre bekannt wie ein I_Phon und Einstein nicht.
    So könnte es passieren, dass Einsteins RelativitätsTheorie zwar existierte… aber entweder überhaupt nicht wahrgenommen oder als ‚verrückt‘ abgetan würde, während Goethes ‚FarbenLehre‘ einen ‚Hype‘ erlebte usw..

    So könnte es auch passieren, dass ‚Skach‘ der Bedeutungslosigkeit ausgeliefert ist, obwohl es wahrscheinlich das Denken noch auf vielfältigere Weise bereichert, als das allseits bekannte Schach.

    Ich getraue mir jetzt nicht, einen Link zu setzen…*seufz+lächel*

    Comment by Michael Haufe — 7.11, 2012 @ 18:57

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