Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

1.11.12

Der Zusammenhang zwischen Rundfunkgebühren und der Pflicht zum Depublizieren

Die CSU-Bundestagsabgeordnete Dorothee Bär hat die Regelung des Rundfunkstaatsvertrags kritisiert, wonach die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Sendungen und sendungsbezogene Telemedien im Regelfall nur für sieben Tage im Internet bereit stellen dürfen (§ 11 d ABs. 2 RStV). Bär stützt sich hierbei auf eine vom Bundestag in Auftrag gegebene Studie. Auch wenn man durchaus die Frage stellen kann, warum sich Doro Bär in dieser Frage nicht früher geäußert hat, ist dieser Vorstoß natürlich zu begrüßen, weil er eine (erneute) politische Diskussion in Gang setzen könnte.

Die Regelung im Rundfunkstaatsvertrag ist letztlich das Ergebnis eines Kuhhandels zwischen EU-Kommission und den Bundesländern, der auch als Beihilfekompromiss bekannt ist. Hintergrund ist der, dass sich die Lobbyisten der privaten Rundfunksender und auch der Zeitungsverlage in Brüssel schon vor längerer Zeit auf die Rundfunkgebühren und auch die Internetstrategien von ARD und ZDF eingeschossen haben. In dem sog. Beihilfekompromiss verpflichtete sich die Kommission 2007, die Frage, ob die deutschen Rundfunkgebühren eine unzulässige Beihilfe im Sinne von Art. 87 EGV darstellen, nicht vor den EuGH zu bringen, wenn sich die Bundesländer im Gegenzug verpflichten, gewisse Auflagen zu erfüllen. Zu diesen Auflagen gehörte u.a. der sog. Drei-Stufen-Test sowie die Regelung, dass Sendungen und sendungsbezogene Inhalte im Netz nur für kurze Zeit angeboten werden dürfen.

Und daraus resultiert in Deutschland eine durchaus bizarre Situation. Einerseits wird der Bürger über die Rundfunkgebühren gezwungen, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit derzeit ca. 7,5 Milliarden EUR im Jahr zu finanzieren. Andererseits bedingt aber genau diese Gebührenfinanzierung nach Ansicht der EU-Kommission eine Wettbewerbsverzerrung zulasten der privaten Konkurrenz, weshalb dem Bürger die Inhalte, die er über seine Rundfunkgebühren finanziert hat, nur für kurze Zeit zur Verfügung gestellt werden dürfen. Was der Beihilfekompromiss also nicht berücksichtigt, sind die Interessen des gebührenzahlenden Bürgers.

Man wird sich früher oder später von diesem faulen Kompromiss lösen und entscheiden müssen, ob der öffentlich-rechtliche Rundfunk uneingeschränkt als privilegierte Form der Daseinsvorsorge, die gerade auch wegen Art. 5 GG notwendig ist, betrachtet werden muss oder schlicht als Wettbewerbsverzerrung.

posted by Stadler at 22:16  

9 Comments

  1. Ich finde diesen Artikel sehr informativ geschrieben, allerdings ist das Problem sehr viel komplexer.

    Die Absursdität besteht darin, dass die private Verlags- und MedienBranche eigentlich vom SteuerZahler bezahlt wird… zumindest indirekt.
    Da diese Unternehmen vorwiegend vom Verkauf von WerbeMöglichkeiten leben (Anzeigen, Banner, WerbeSpots), welche wiederum von den werbenden AnzeigenKunden bezahlt werden. Der Punkt ist: Dasss Firmen und Organisationen ihre SteuerLast minimieren können, indem sie m. W. unbegrenzt WerbeKosten geltend machen können.

    Insofern bezahlt der Kunde, die WerbeKosten einerseits als im ProduktPreis enthaltene Kosten mit. Und anderseits bezahlt der SteuerZahler diese Werbung erneut, auch wenn er sie gar nicht will.

    Ich rege schon seit längerer Zeit an, die Absetzbarkeit von WerbeKosten zu reduzieren.

    Ein anderer Vorschlag sähe vor, jeden Werbenden zu verpflichten, die gleiche Summe, welche er steuererleichternd für Werbung von der Steuer absetzt – zu gunsten eines öffentlichen Pools für UrheberRechte an diesen zu bezahlen.
    Dann wäre auch irgendwann ein Internet ohne Werbung möglich und eine echte UrheberRechtsVerwertung, zugunsten der Urheber und Rezipienten.

    Außerdem würde dieses furchtbare ‚Depublizieren‘ – was einer Bücher- bzw. BibliotheksVerbrennung (wie in ‚Im Namen der Rose‘) gleichkommt, obsolet.

    Comment by Michael Haufe — 1.11, 2012 @ 22:39

  2. Ich bin ganz Ihrer Meinung. Man kann sich insbesondere auch fragen, warum die BBC nicht depublizieren muß (http://www.bbc.co.uk/), die deutschen Rundfunkanstalten aber schon.

    Ich bin aber auch erstaunt, wie ungeniert der Bund (Bundestag, Bundestagsabgeordnete) sich neuerdings in Angelegenheiten einmischt, die ganz unbestritten nicht in seine Zuständigkeit fallen.

    Comment by OG — 1.11, 2012 @ 23:59

  3. Die Auseinandersetzungen gehen dahingehend, wer, welche konkreten Leute die Meinungsmache bestimmen. Der Staat mit seinen kulturpolitischen Ansprüchen und Vorgaben über seine Beamten und Politiker oder der Markt über die kommerzielle Werbeschiene u.a. mit seinen gierigen Managern und Medienbesitzern.

    Da heute die Politiker finanziell in die s.g. Privatwirtschaft voll eingebunden sind, verzerrt die Trennung Staat oder Privat die Wirklichkeit.

    Den privaten Medien werden von der Verfassung her rechtsstaatliche stabilisierende Funktionen zugeschrieben. Diese werden durch die GEZ-Finanzierung auserwählter Medien gestört. Das ist die Auffassung der EU. Den Staat kontrollieren sollen nur noch die s.g. privaten Medien.

    Dass diese über die Steuergesetze und sonstige andere Gesetze gelenkt werden, wird geflissentlich übersehen.

    Es geht um die Beseitigung der Überreste des Primats der Politik über die Wirtschaft (das Kapital)

    Comment by Rolf Schälike — 2.11, 2012 @ 00:15

  4. Schuster, bleib bei deinen Leisten.

    Meine Meinung ist radikal, ich weiß. Aber egal, ich tippe sie mal ein:

    Ich bin für ein Verbot jeglicher TV-Sendungen im Netz. Egal, um welchen Sender es sich handelt. Sie sollen online gehen, ihre Pages aufmachen, auf das TV(!!)-Programm hinweisen und fertig. TV sollte vom Web vollständig getrennt werden. Im Netz haben meines Erachtens TV-Programme nichts zu suchen. Und vor allem dann nicht, wenn man damit online Kohle macht, an die man sonst nicht rankommen würde. Glotze sollte Glotze bleiben. Das Web das Web.

    Den geldgeilen Sendeanstalten ist Hausverbot im Netz zu erteilen, wenn sie dort senden möchten, was im TV läuft, gelaufen ist oder jemals lief.

    Und wer darauf besteht, im Netz Sendungen zu verbreiten, der darf sich mit dem Gedanken anfreunden, daß Onliner ebenfalls das Recht einfordern werden, sich in das Sendeangebot der Fernsehanstalten einzumischen und dort zu erscheinen. Absurd?? Ach? Umgekehrt aber ok?? Dann wird doch jeder Video-Blogger mitteilen, er möchte in der ARD um 18 Uhr unverzüglich seine Sendezeit haben. Da das nicht geht, sollte es umgekehrt auch unmöglich gemacht werden, daß sich TV-Sender im Netz tummeln. Jedenfalls logisch, oder?

    Ich bin für klare Trennung.

    Comment by Tim — 2.11, 2012 @ 10:56

  5. @Rolf:

    „Privatfernsehen ist eine Erfindung der Politik, um das Volk zu verblöden!“ – Armin Maiwald, Sendung mit der Maus, vor rund 15 Jahren in einem Interview mit der „Zeit“.

    Comment by Hardy — 2.11, 2012 @ 11:44

  6. Wieso kann eigentlich die EU-Kommission darüber entscheiden, eine Frage vor den EuGH zu bringen oder nicht? Ist das nicht Rechtsbeugung? Kann nicht jemand anders die Sache vor den EuGH bringen?

    Comment by W — 2.11, 2012 @ 14:42

  7. Ich denke die De-Publizierungspflicht ist sicher ärgerlich. Andererseits denke ich aber solange die politischen Parteien über ihre Vertreter in den Rundfunk-Gremien über den ÖR eine indirekte Kontrolle ausüben dürfte sich der Verlust in Grenzen halten.

    Der Unterschied zwischen einem Staatsfernsehen und dem indirekt kontrolliertem ÖR dürfte so in etwa dem Unterschied zwischen Vor- und Nachzensur entsprechen. Das Ergebnis ist in etwa dasselbe, aber immerhin besteht noch die Möglichkeit darüber zu reden.

    Ich glaube der Vorstoß solche (de-publizierte) Inhalte zu erhalten ist – zumindest wenn er aus der Politik kommt – so zu werten, dass man die Bevölkerung davon abhalten will sich anzugewöhnen unabhängige Informationsquellen zu nutzen, die nicht der Kontrolle der politischen Parteien unterliegen.

    Comment by Michael Schneider — 2.11, 2012 @ 20:01

  8. @tim
    sind Sie wahnsinnig? Dann würde es so etwas wie myspass.de und southpark.de nicht geben. Und von hulu ganz zu schweigen.

    Comment by J. S. — 2.11, 2012 @ 20:17

  9. Ich bin (ebenfalls) der Meinung, dass die ÖR-Anstalten nicht mit Mitteln aus den Zwangsabgaben Inhalte in das Internet einspeisen dürften. Das Überschreitet sehr weit den Auftrag einer Grundversorgung mit Radio- und TV-Programm. Wie übrigens die Anzahl der Sender des ÖR-Radios und die Anzahl der Sender des ÖR-TV. Das Erste, ZDF, Dritte Regionalprogramme und je ÖR-Anstalt ein Radiosender müssen absolut reichen. Mit der Qualität hochwertiger Spitzendokumentationen der BBC können die sich ebenfalls in keiner Weise vergleichen. Statt auf gefühlten tausend Sendern unnütz Frequenzen zu belegen und das Internet zu Vergewaltigen um internettaugliche Geräte zwangsgebührenpflichtig zu machen, sollten die sich ganz, ganz schnell wieder auf ihren Grundversorgungsauftrag beschränken und Nachrichten und politische Willensbildung wieder ernst nehmen. In den Regionalnachrichten finden ja Nachrichten über Ereignisse teilweise in der zweiten Monatswoche gar nicht mehr statt, weil das Bugdet für Ankäufe von Fernsehbildern bereits aufgebraucht ist. Also statt Depublizieren erstmal weniger Publizieren und davon gar nichts im Internet.

    Comment by Kommentar — 2.11, 2012 @ 23:12

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