Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

3.7.12

Handel mit „gebrauchter Software“: Rechtsstreit bis zur Erschöpfung

Der Europäische Gerichtshof hat heute (Urteil vom 03.07.2012, Az.: C-128/11) entschieden, dass der Weiterverkauf von Software auch dann zulässig ist und nicht die Urheberrechte des Softwareherstellers verletzt, wenn man das Programm nicht auf einem Datenträger sondern unkörperlich per Download erworben hat. Lediglich eine Aufspaltung von Lizenzen ist laut EuGH nicht zulässig, eine Mehrplatzlizenz muss demnach insgesamt veräußert werden, ein teilweiser Weiterverkauf ist nicht möglich.

Der EuGH führt zur Begründung u.a. aus, dass das Herunterladen der sich auf der Internetseite des Rechtsinhabers befindenden Programmkopie auf den Server des Kunden und der Abschluss eines Lizenzvertrags über die Nutzung dieser Kopie ein untrennbares Ganzes darstellen, das in seiner Gesamtheit als Verkauf einzuordnen ist. Im Hinblick auf diesen untrennbaren Zusammenhang zwischen der Kopie auf der Internetseite des Urheberrechtsinhabers in der jeweils verbesserten und aktualisierten Version zum einen und der entsprechenden Nutzungslizenz zum anderen umfasst der Weiterverkauf der Nutzungslizenz auch den Weiterverkauf „dieser Kopie“.

Der EuGH betont zudem, dass jede andere Betrachtungsweise dem Urheberrechtsinhaber ermöglichen würde, die tatsächliche Nutzung einer gebrauchten Kopie, an der sein Verbreitungsrecht nach Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2009/24 erloschen ist, zu verhindern, indem er sich auf sein ausschließliches Vervielfältigungsrecht beruft, wodurch man dem Erschöpfungsgrundsatz seine praktische Wirksamkeit nehmen würde.

Der Entscheidung des EuGH ist ein viele Jahre dauernder Streit vorausgegangen, der zahlreiche deutsche Gerichte beschäftigt hatte, die weitgehend anders entschieden hatten als jetzt der Europäische Gerichtshof.

Besonders erwähnenswert ist der konkrete Verfahrensgang, weil er zeigt, wie gegensätzlich gerichtliche Entscheidungen sein können. Das OLG München hatte in derselben Sache mit Urteil vom 03.07.2008 (Az.: 6 U 2759/07) noch ausgeführt:

Für eine Vorlage der Sache an den EuGH bzw. für die Zulassung der Revision gibt es keine Gründe. Die Rechtslage ist klar und eindeutig und bedarf weder einer Bestätigung durch den EuGH noch durch den BGH.

Tja, so kann man sich irren, möchte man hierzu ausrufen. Der BGH hat die Revision auf die Nichtzulassungsbeschwerde von Used-Soft hin zugelassen und die Streitfrage an den EuGH vorgelegt. Und der ist nun – für viele sicherlich überraschend – der bisherigen Linie der deutschen Rechtsprechung entgegengetreten und hat sich dabei weniger am Wortlaut der Richtlinie sondern stärker am Sinn und Zweck des Erschöpfungsgrundsatzes orientiert.

posted by Stadler at 20:27  

8 Comments

  1. Was ist bitte eine „gebrauchte Kopie“ oder „used soft“? Seit wann nutzt sich Software ab? ;-)

    Ich schlage statt dessen den Begriff „second hand license“ vor. Denn weder die Lizenz noch die Software selbst sind „gebraucht“ in dem Sinne, daß sie durch die reine Nutzung an Wert verlieren wie zum Beispiel eine Festplatte. An den Bits und Bytes entsteht durch die Nutzung der Software kein Schaden, Schwund oder Verlust.

    Comment by Sabine Engelhardt — 3.07, 2012 @ 20:32

  2. Den deutschen Begriff „gebrauchte Software“ finde ich in Ordnung, er ist allemal gebräuchlich.

    „UsedSoft“ ist der registrierte Name der deutschen/schweizen Firma, die diesen Prozess gegen Oracle nun letztinstanzlich gewann.

    Als Anglizismen bieten sich „used software“, „second-hand software“ sowie „second-hand software licence“, die alle in englischsprachigen Ländern gebräuchlich sind.

    Beachte: „licence“ mit „C“ ist das Substantiv – oder gleich eindeutschen als „Lizenz“; das englische Verb kann man mit „C“ oder „S“ schreiben.

    Comment by Dreizack — 4.07, 2012 @ 10:01

  3. Natürlich sollten wir in Europa die britische Schreibweise bevorzugen, aber so ganz unkommentiert kann ich die gelehrten Ausführungen zur Ortographie doch nicht lassen, und verlinke zu einem Wörterbuch für das amerikanische Englisch. http://www.merriam-webster.com/dictionary/license

    Comment by JJ — 4.07, 2012 @ 10:18

  4. Das muss dann eigentlich auch für E-Books gelten, denn die sind in deutscher Sicht ja „Software“ (= nur so wird der Unterschied bei der MwSt. ja begründet!). Müsste nicht Amazons Weiterverkaufsverbot damit hinfällig sein?

    Comment by ClaudiaBerlin — 4.07, 2012 @ 11:16

  5. Ich finde die Entscheidung begrüßenswert. Es wird immer mehr „körperlos“, also per bloßer Datenübertragung über das Internet, verkauft. Es gibt keinen Grund, warum der Grundsatz der Erschöpfung hier nicht gelten sollte.

    Comment by RA Berger — 4.07, 2012 @ 19:39

  6. @ClaudiaBerlin: Nein, denn in DE gilt ja noch das „Half-Life-2-Urteil“ des BGH und die dahinterstehenden Gesetze bzw. EU-Richtlinienen. Siehe u.a. die Ausführungen des RA Dr. Störing bei Heise

    Comment by Drizzt — 6.07, 2012 @ 07:55

  7. Der „gebraucht Software“ ist durchaus passend, es heißt ja eben nicht „abgenutzte Sotware“.

    Ein Wiederverkaufsverbot halte ich damit in der Tat für hinfällig. Ich sehe da keine Beziehung dazu, dass auf technischer Ebene vom Hersteller die Nutzung unmöglich gemacht werden darf. Das darf der Hersteller, aber ob es ihm gelingt ist eine andere Frage und dem freien Kräftespiel der Gesellschaft überlassen, ohne dass (wie bisher) der Staat zugunsten einer Seite einschreiten würde. Kurz und im Jargon: Bring da h4ck0rz in!

    Die Clone-CD-Ära, in der Firmen die Kopierschutz wünschen, diesen gar nicht realisieren müssen, sondern sich stattdessen auf ein bloße symbolische Handlung beschränken können und der Schutz dann durch Staat und Gerichtsbarkeit frei Haus geliefert wird, hat damit für Programme (wofür sie sowieso nicht gedacht war) ein Ende.

    Ob man das in München versteht ist eine ganz andere Frage http://www.heise.de/newsticker/meldung/Geknackter-Kopierschutz-1-Million-Euro-Schadenersatz-fuer-Nintendo-1632842.html

    Comment by ThorstenV — 9.07, 2012 @ 11:42

  8. Wenn man bedenkt, dass seit 2006 über 20 Urteile verschiedener Instanzen zu dem Thema gesprochen worden sind, können alle in der Branche froh sein, dass 2013 der EuGH Licht ins Dickicht gebracht hat.

    Comment by Frank Schumacher — 22.11, 2017 @ 16:29

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