Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

20.7.12

ACTA, CETA und wieder einmal Providerhaftung

Nachdem unlängst Vorwürfe laut wurden, die EU-Kommission wolle das vom Parlament gestoppte ACTA-Abkommen über neue bilaterale Akommen wie CETA – das in Entwurfsfassungen unzweifelhaft inhaltliche Übereinstimmungen mit ACTA aufwies – quasi über die Hintertür Stück für Stück dennoch einführen, war die Kommission bemüht abzuwiegeln und verwies darauf, dass diese Entwurfsfassungen veraltet und überholt seien.

Der kanadische Rechtswissenschaftler Michael Geist erläutert in seinem Blog, weshalb er das Dementi der Kommission nicht für überzeugend hält. Die Kommission will sich nach eigener Aussage für das mit Kanada geplante Abkommen namens CETA nunmehr nämlich inhaltlich stärker an ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und Korea anlehnen.

Wenn man sich dann mit diesem Handelsabkommen näher befasst, findet man unter Artikel 10.46 schließlich folgende interessante Passage:

An interlocutory injunction may also be issued against an intermediary ( 69 ) whose services are being used by a third party to infringe copyright, related rights, trademarks or geographical indications.

Die Fußnote 69, auf die dort verwiesen wird, bringt dann etwas mehr Klarheit:

For the purposes of this paragraph, the scope of ‘intermediary’ is determined in each Party’s legislation, but shall include those who deliver or distribute infringing goods, and also where appropriate, include online service providers.

Vermittler in diesem Sinne sind also Lieferanten und Distributoren rechtsverletzender Güter, zu denen auch Internet Service Provider zählen. Diese offene Formulierung umfasst, gerade weil auch auf die bloße „Lieferung“ abgestellt wird, sowohl Zugangs- als auch Hosting-Provider.

Hier tauchen also genau die Elemente wieder auf, die während der ACTA-Verhandlungen auf öffentlichen Druck hin in der endgültigen Fassung gestrichen worden sind. Man muss also kein Verschwörungstheoretiker sein, um daraus die Schlussfolgerung zu ziehen, dass die Kommission an ihrer Idee der Inpflichtnahme von Providern zur Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen festhält. Netzsperren und Modelle wie Three-Strikes-Out bzw. Hadopi bleiben damit Bestandteil der europäischen Agenda.

 

posted by Stadler at 10:21  

6 Comments

  1. Warum bin ich jetzt nicht überrascht?

    Comment by SC — 20.07, 2012 @ 11:26

  2. …und wenn Europa das Problem nicht löst (oder sogar das Problem darstellt), dann ist die Lösung logischerweise: MEHR Europa!

    Comment by Hackworth — 20.07, 2012 @ 11:31

  3. Man wünscht sich bei solchen Abkommen eine einfache Gliederung am Anfang. Das würde viel (scrollen) Zeit ersparen…

    „are being used“ verlangt zumindest einen konkreten Missbrauch. Interessant ist, ob darunter auch eine Erstbegehung subsumiert werden kann.
    „those who deliver or distribute infringing goods“ verstehe ich als Verbreiterhaftung. Strenger kommt im dt. Recht ja noch die Störerhaftung.
    Die Frage ist, was unter „where appropriate“ zu verstehen sein soll. Trifft das nur auf gewerblichen Missbrauch zu? Es gibt immer mildere Mittel als eine Website abzuschalten.

    Comment by misterfergusson — 20.07, 2012 @ 14:41

  4. Hier die deutsche Fassung:

    Artikel 10.46

    Einstweilige Maßnahmen und Sicherungsmaßnahmen

    (1) Jede Vertragspartei stellt sicher,dass die Gerichte die Möglichkeit haben, auf Antrag des Antragstellers eine einstwei­lige Maßnahme anzuordnen, um eine drohende Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums zu verhindern oder einstweilig und, sofern ihre Rechtsvorschriften dies vorsehen, in geeigneten Fällen unter Verhängung von Zwangsgeldern die Fortsetzung angeblicher Verletzungen dieses Rechts zu untersagen oder die Fortsetzung an die Stellung von Sicherheiten zu knüpfen, die die Entschädigung des Rechteinhabers sicherstellen sollen. Eine einstweilige Maßnahme kann auch gegen eine Mittelsperson (69) angeordnet werden, deren Dienste von einem Dritten zwecks Verletzung eines Urheberrechts, eines verwandten Schutzrechts, einer Marke oder einer geografischen Angabe in Anspruch genommen werden.

    (2) Eine einstweilige Maßnahme kann auch zwecks Beschlag­nahme der Waren angeordnet werden, bei denen der Verdacht auf Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums besteht, um deren Inverkehrbringen und Umlauf auf den Vertriebswegen zu verhindern.

    (3) Im Falle von Rechtsverletzungen in gewerblichem Aus­maß stellt jede Vertragspartei sicher, dass die zuständigen Ge­ richte die Möglichkeit haben, die vorsorgliche Beschlagnahme beweglichen und unbeweglichen Vermögens des angeblichen Verletzers einschließlich der Sperrung seiner Bankkonten und der Beschlagnahme sonstiger Vermögenswerte anzuordnen, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass die Erfüllung sei­ner Schadensersatzforderung fraglich ist.

    (69) Für die Zwecke dieses Absatzes wird der Begriff „Vermittler“ in den Rechtsvorschriften der Vertragsparteien definiert, er umfasst jedoch die Lieferanten oder Vertreiber von rechtsverletztenden Waren und gegebenenfalls auch die Anbieter von Online-Diensten.

    http://www.internet-law.de/2012/07/acta-ceta-und-wieder-einmal-providerhaftung.html

    Comment by RA Michael Seidlitz — 20.07, 2012 @ 19:40

  5. Der richtige Link lautet:

    http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2011:127:0006:1343:DE:PDF

    Comment by RA Michael Seidlitz — 20.07, 2012 @ 19:40

  6. hi LEute,

    und ich bin heute an die aktuelle Version von CETA herangekommen. Denn dieses Teil wurde geleakt. Der Link ist hier:

    https://www.eff.org/deeplinks/2012/08/new-leaked-tpp-puts-fair-use-risk

    Das bedeutet: wir müssen dagegen aktiv werden. Im Internet gibt es bereits eine online-Kampagne mit dem Ziel dieses Ding ein für alle Male zu stoppen. Aber dass alleine wird nicht reichen. Wir müssen erneut raus auf die Straße und Flagge zeigen!! Dieses Ding ist nichts weiter als ACTA unter einem neuen Namen. Die Textpassagen sind die gleichen!! Leute, wacht auf!! Die Eu-Kommission belügt und erneut schamlos und Frau Reding hat sich damit zum Affen gemacht, als sie gesagt hat, dass ACTA vom Tisch sei!!! Nichts davon stimmt!!!

    Gruß
    Andrea

    Comment by Andrea — 13.09, 2012 @ 22:14

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