Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

29.1.12

Die freiwillige Selbstkontrolle der Suchmaschinen

Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien hat derzeit 2720 Onlineangebote (Telemedien) indiziert. Diese Liste wird offiziell, anders als bei Trägermedien, nach § 24 JSchG allerdings nicht im Bundeanzeiger veröffentlicht, weil man Chilling Effects verhindern möchte. Nach § 24 Abs. 5 JSchG soll diese Liste im Bereich der Telemedien aber anerkannten Einrichtungen der Selbstkontrolle zum Zweck der Aufnahme in nutzerautonome Filterprogramme mitgeteilt werden, soweit ausländische Telemedien betroffen sind. Die Mitteilung darf nach dem Wortlaut des Gesetzes aber eben nur zum Zweck der Aufnahme in nutzerautonome Filterprogramme verwandt werden.

Vor diesem rechtlichen Hintergrund erscheint es erstaunlich, dass alle großen Suchmaschinen über diese Liste verfügen und ihren Suchindex auch entsprechend filtern und bereinigen. Die großen Suchmaschinenanbieter haben sich dem „Verhaltenssubkodex für Suchmaschinenanbieter der FSM“ unterworfen. Wie diese Selbstkontrolle der Suchmaschinen funktioniert, ist auf den Seiten der FSM ausführlich beschrieben. Suchmaschinenbetreiber wie Google oder Microsoft (Bing) haben sich u.a. zur Nicht-Anzeige von Internetadressen verpflichtet, die auf dem Index der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien stehen.

Das kann man praktisch gut nachvollziehen, indem man bei Google z.B. das Suchwort „YouPorn“ eingibt. Am unteren Ende der ersten Trefferseite findet man derzeit den Hinweis, dass drei Websites aus Rechtsgründen nicht angezeigt werden, verbunden mit einem Link auf „chillingeffects.org“, wo wiederum erläutert wird, dass von einer zuständigen Stelle in Deutschland mitgeteilt wurde, dass die entsprechende URL unrechtmäßig ist. „YouPorn.Com“ wird mir interessanterweise allerdings dann als Treffer angezeigt, wenn ich in meinen Google(Plus)-Account eingeloggt bin (!).

Die FSM übermittelt also die Liste indizierter Telemedien an die Suchmaschinenbetreiber. Dort werden die Suchergebnisse dann entsprechend bereinigt. Dieses Prozedere ist rechtlich allerdings in höchstem Maße problematisch, denn die Mitteilung der indizierten Telemedien darf nach § 24 Abs. 5 JSchG ja nur zum Zweck der Aufnahme in nutzerautonome Filterprogramme verwendet werden. Sind Suchmaschinen also nutzerautonome Filterprogramme? Wohl kaum.

Hier scheint einmal mehr der Zweck die Mittel zu heiligen. Nachdem der Gesetzgeber ausdrücklich darauf verzichtet hat, die Liste indizierter Telemedien im Bundesanzeiger zu veröffentlichen, um nicht mehr Publizität als nötig zu erzeugen, stellt sich aber auch die Frage, ob mit dieser Art der Suchmaschinenfilterung nicht der Gesetzeszweck unterlaufen wird. Denn, dass „YouPorn.Com“ auf der Listen steht, dürfte damit klar sein. Die Suchmaschinenfilterung unterläuft also die Intention des Gesetzes, die Liste indizierter Telemedien nicht zu veröffentlichen. Andererseits wirkt das Konzept der Suchmaschinenfilterung aber auch relativ hilflos, wenn man sieht, was bei der Eingabe von YouPorn als Suchbegriff bei Google (noch) als Treffer erscheint.

Mit diesem und anderen Themen befasst sich übrigens ein lesenswerter Artikel von Holger Bleich in der neuen c’t, der nachvollziehbar erläutert, warum der Jugendschutz im Internet nicht funktioniert.

posted by Stadler at 08:58  

15 Comments

  1. Wenn ich bei Google nach ‚YouPorn‘ suche, ist das gleich der erste Suchbegriff. Dafür muss ich nicht meine – deutsche – IP verschleiern, es reicht, Safe Search abzustellen, den Browser und Google auf Englisch zu stellen und Google.com zu nutzen statt deren deutschen Ablegers. Ich bin nicht einmal sicher, ob alle genannten Bedingungen erfüllt sein müssen.

    Nur ergänzend zur hilflosen Albernheit unserer offiziellen Schutzinfrastruktur.

    Comment by Dierk — 29.01, 2012 @ 09:36

  2. >“YouPorn.Com” wird mir interessanterweise allerdings dann als Treffer angezeigt, wenn ich in meinen Google(Plus)-Account eingeloggt bin (!).

    Das wird daran liegen, das Google-Plus ursprünglich nur für volljährige gedacht war (bis zu der letzten Änderung kürzlich). Daher gibt es dann auch keinen Grund den Jugenschutzfilter auf dein Suchergebnis anzuwenden.

    Comment by BeowulfOF — 29.01, 2012 @ 10:30

  3. und Google.com zu nutzen

    Das reicht schon. Also einfach auf „Google.com in English“ klicken und Suchbegriffe wie „youporn.com“, „xhamster.com“… und so weiter werden ungefiltert als Ergebnisse geliefert.

    Aus Interesse / Neugierde: Wer sucht eigentlich mittels Suchmaschine nach ’ner website, die einem ohnehin bereits bekannt ist?

    Dann noch zur (eigentlichen) Sache: Basierend auf welcher Rechtsgrundlage können eigentlich links quasi verboten werden? Hatte nicht der BGH sogar mal geurteilt, daß das ledigliche Verlinken auf vermeintlich verbotene Seiten legal sei?

    Soll hier in Wahrheit nicht wieder einmal, ähnlich wie beim Thema „Zensursula“, das Thema „Jugengefährdung“ vorgeschoben werden um hinter dann eigentlich den Willen der content-Mafia zu befridiedigen?

    Comment by Behaarte Uhse — 29.01, 2012 @ 11:07

  4. wie „freiwillige Selbstkontrolle“ herbei geführt werden soll kann man hier lesen (via torrentfreak)

    http://www.scribd.com/doc/79607883/Proposals-to-Search-Engines

    Comment by Gast — 29.01, 2012 @ 11:29

  5. wie “freiwillige Selbstkontrolle” herbei geführt werden soll kann man hier lesen (via torrentfreak)

    Tja…wie heißt es noch ‚mal?
    Money makes the world go round!

    Als würde es tatsächlich um den Schutz der Jugend gehen…Is‘ klar!

    Übrigens lag auch das sog. „IFPI filtering memo“ bereits 2005 in den Schubladen der content-MAFIA. Geleakt via Electronic Frontier Foundation (EFF):

    https://www.eff.org/files/filenode/effeurope/ifpi_filtering_memo.pdf

    Kernpunkte darin waren – zur Erinnerung- die folgenden:

    – „content filtering“
    – „protocol blocking“
    „blocking access to infringing online locations“

    Wie war das eigentlich noch ‚mal beim Thema „Zensursula“? Ach ja:

    Eines Tages werden wir einen gigantischen Filter haben, den wir in enger Zusammenarbeit mit der IFPI und der MPA entwickeln

    Quelle: http://ak-zensur.de/2010/04/kinderpornos-grossartig.html

    Aufwachen!

    Gruß aus Kölle, Baxter
    _________________________
    P.S., am Rande: Auch auf „Quick Freez“ freut sich die Content-MAFIA bereits. Siehe dazu einfach nur mal die Presserklärung der GVU e.V. -Haus-und-Hof-anti-piracy-Gedöns-Klitsche „Logistep“ von September 2010: http://tinyurl.com/Presse-LS-Qucik-Freeze

    Comment by Baxter — 29.01, 2012 @ 12:10

  6. @Dierk
    YouPorn wird nur zensiert, wenn die Anfrage über google.de gestellt wird und nicht auf google.com. So leiten z.B. Plugins wie HTTPS-Everywhere automatisch auf encrypted.google.com um.

    Comment by Fodo — 29.01, 2012 @ 12:23

  7. Die „freiwillieg Selbstkontrolle“ ist rausgeschmissenes Geld. Wieder besorgen Gutmenschen ein Geschäft, für die es keinerlei empirischen Nachweis für Jugendliche in Deutschland gibt. Sieht man sich die pseudowissenschaftlichen Ergebnisse z.B. auf http://www.internet-pornografie.de/ an, muss man zahlreiche Mängel feststellen:
    – zu kleine Stichproben (z.B. n=24)
    – enthemmte Übertragung von US-College-Studenten (wo es auch die Todesstrafe gibt, die höchsten Gefängnisquote der Welt, pro Kopf die meisten Morde weltweit, usw.) auf deutsche Verhältnisse (ohne Beweis)
    – die Übertragung aus überwiegende muslimischen Länder (Türkei) unreflektiert auf Katholiken und Protestanten (wobei es bei Muselmanen kein Zölibat gibt und wir nicht so viel von sexuellem Missbrauch von Kindern durch Priester hören wie bei den Christen in USA, Iraland, Deutschland).
    usw.

    Also wird erst mal an den Anfang die unbewiesene Behauptung gestellt, dass Pornografie im Internet für Jugendliche hohe Schädlichkeit besäße, die erheblichste Maßnahmen wie Zensur rechtfertige.

    Dann wir weiter ohne Beweis behauptet, dass die Sperrmaßnahmen wirken würden (die gleiche Behauptung, die UvdL erhob, als sie den Kinderpronografiedreck nicht löschen wollte, damit es ihr Klerus einfacher hatete, den Dreck zu finden, was sich die Bürger aber nicht gefallen liessen, so dass der Dreck jetzt weg ist).

    Die Nichtveröffentlichung der Sperrlisten geht in die selbe fehlende Rechtsstaatlichkeit wie beim Zugangsgerschwerunggesetz, wo die Rechtsprechung, was Kinderpornografie sein soll, von der Justiz auf die Polizei übertragen wurde, mit gleichzeitiger Abschaffung des rechtlichen Gehörs. Das sind Polizeistaatsmethoden, die am rechten Rand unserer Gesellschaft große Begeisterung finden bis hin zur Unterstützung von NAZI-Mördern durch Behörden.

    Dass nun YouPorn auf der Liste ist (und eben viele andere nicht) beweist ganz klar, dass hier fehlende Sachkunde vorliegt. (Selbst die Lücken von Megaupload sind wieder geschlossen).

    Also schaffen sich Ahnungslose ohne empirischen Hintergrund mit wirkungslosen Massnahmen wieder schöne Pöstchen und verwulffen das Geld der Steuerzahler. Eine zynische Arbeitsbeschaffungsmassnahme, die häufig auch noch im kriminellen Umfeld anzusiedeln ist, wie die Frau Guttenberg jetzt wohl Strafverfolgung befürchten muss wegen Beihilfe und Anstiftung nach §176 StGB (Sexueller Mißbrauch von Kindern) und wohl deshalb nach USA geflüchtet ist, um der Strafverfolgung zu entgehen.

    Schon zu Zeiten von Videotheken, war es für Jugendliche kein Problem, die Filme über Kettensägemassaker zu sehen, während das Massaker von Winnenden eher ein Problem des von der CDU und CSU zu locker gehaltenen Waffengesetzes ist, wo jeder Dorfdepp Jugendlichen Schusswaffen einfach bereitstellen kann.

    Diese Art von Jugendschutz ist Humbug. Verwullfung des Staates.

    Comment by Jan Dark — 29.01, 2012 @ 12:30

  8. Diese Art von Jugendschutz ist Humbug.

    Wie gesagt: Testballons! Bzw. die Einleitung der Umsetzung von bereits vor Jahren entwickelten Plänen.

    2012 will man sich verstärkt den Suchmaschinen als Mittler der Links zu urheberrechtsverletzenden Seiten zuwenden, lautet eine Drohung.

    Quelle (vom 28.1.12): http://www.heise.de/newsticker/meldung/Musikmesse-MIDEM-gibt-sich-Hacker-und-Internet-freundlich-1424106.html

    Comment by Baxter — 29.01, 2012 @ 13:05

  9. Was mir nicht in den Kopf will:
    Statt das Internet in ein Kindernet verwandeln zu wollen, wäre die Errichtung eines richtigen Kindernets – welches dann parallel existiert – in jeder Hinsicht effizienter.

    Zumal hier vergessen wird, dass das Internet NIE für Kinder gedacht war, einen Internetzugang erhält man nur als Volljähriger und ist ja auch sonst immer verantwortlich, was über den eigenen Anschluss passiert, warum auch nicht hier?

    On top kommt die Problematik, dass so jeder Elternteil seine eigene Ansichten hat, was für das Kind nun gut ist und was nicht.

    Einen bitteren Beigeschmack erhalten die Forderungen so mancher Eltern besonders dann, wenn diese selbst vor ihrem Kind rauchen, trinken oder in die nächste Kneipe (mit samt Anhang) gehen.

    Dazu kommt dann das tägliche Ritual der Berieselung durch die qualitativ hochwertigen Sendungen, die das Fernsehen zu bieten hat, ob die für Kinder wirklich so förderlich sind?

    Bottom line:
    Man sollte endlich selbst Verantwortung für die eigenen Kinder übernehmen und wenn man das nicht hinbekommt gibt es Filtersoftware, die kostet halt und man muss etwas installieren.

    Ps:
    Mir ist bewusst, dass noch ganz andere handfeste, finanzielle Interessen hinter diesen Sperrlisten stecken aber das funktioniert auch nur, weil sich viele Eltern einreden lassen, wie böse das Internet doch sei.

    Comment by Trollfresser — 29.01, 2012 @ 15:30

  10. Können wir uns ein für alle Mal darauf einigen, dass Zensur Jugendschutz allgemein nicht funktioniert? Die wichtigste Instanz sind die Erziehungsberechtigten und wenn es die nicht interessiert, was die Schutzbefohlenen so treiben, ist sowieso alles vorbei. Nicht nur im Internet.

    Worüber man diskutieren kann, sind Altersempfehlungen (+ Begründung, warum es eine bestimmte Empfehlung gab), die auch unbewanderten Erziehungsberechtigten eine Hilfestellung geben können, ob z.B. ein Film geeignet ist. Bei Webseiten geht das natürlich nicht mehr und das bedeutet, dass man da eben gemeinsam mit dem Nachwuchs online gehen muss bzw. dem Nachwuchs vertrauen können muss, dass er sich an gewisse Regeln hält (das hängt ja sehr stark vom jeweiligen Kind ab).

    Ergo wäre ich dafür, diese ungeeignete Zensurmaßnahme lieber heute als morgen in den viel zu späten Ruhestand zu schicken.

    Comment by Drizzt — 29.01, 2012 @ 15:32

  11. Als eingeloggter Google-Benutzer wird man schon seit einiger Zeit auf https://www.google.com verwiesen. Die Spracheinstellungen und Geo-Lokalisierung bleibt dabei bestehen, aber ich denke mal, dass sich die Sperrmaßnahmen nur auf google.de beziehen.

    Comment by Frank — 29.01, 2012 @ 20:32

  12. Auch wenn man mit einer schweizerischen IP auf google.de sucht, findet die beschriebene Zensur statt.

    Ich würde vermuten dass Google diesbezüglich bequemerweise den Weg des geringsten Widerstandes gegangen ist und wenn man beachtet wie begabt viele Kids schon ab 10J. sind werden die Interessierten längst alle Umgehungsmöglichkeiten rausgefunden haben.

    Comment by irgendeiner — 30.01, 2012 @ 11:58

  13. >>“YouPorn.Com” wird mir interessanterweise >>allerdings dann als Treffer angezeigt,
    >>wenn ich in meinen Google(Plus)-Account
    >>eingeloggt bin (!).

    >Das wird daran liegen, das Google-Plus
    >ursprünglich nur für volljährige gedacht war
    >(bis zu der letzten Änderung kürzlich).
    >Daher gibt es dann auch keinen Grund
    >den Jugenschutzfilter auf dein Suchergebnis
    >anzuwenden.

    Ich bin auch volljähriger Inhaber eines Google+-Accounts – bei Suche nach youporn erhalte ich denselben Hinweis wie Kollege Stadler, und zwar unabhängig davon, ob ich eingeloggt bin oder nicht. Bei Suche nach youporn.com werden sogar „20 Ergebnis(se) von dieser Seite entfernt“.

    Comment by RA Sebastian Dosch — 30.01, 2012 @ 14:36

  14. Schon etwas älter
    http://www.heise.de/newsticker/foren/S-Interpretationen/forum-160734/msg-16895615/read/

    nur kann da dagegen was machen?

    Schließlich ist der Filter ja nicht „nutzerautom“ so dass die Listen eigentlich nicht verwendet werden dürften….

    bombjack

    Comment by bombjack — 2.02, 2012 @ 01:22

  15. Politiker wollen seit langem die Rolle von Eltern spielen. Ein Kind braucht doch nuz 2, nicht 620 Eltern.

    Comment by Tobias — 6.02, 2012 @ 08:50

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