Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

22.6.11

Innenminister rügt Strafrichterin

Der Innenminister Schleswig-Holsteins Klaus Schlie (CDU) hat in einem Brief an das Amtsgericht Elmshorn eine Strafrichterin dafür gerügt, dass sie einen Polizisten wegen des Einsatzes von Pfefferspray wegen Körperverletzung im Amt in einem minder schweren Fall verurteilt hat.

Nun ist Rechtsprechungskritik durch Spitzenpolitiker ohnehin etwas, was in einem Rechtsstaat nicht vorkommen sollte, weil der dadurch erzeugte Druck eine Gefahr für die Unabhängigkeit der Justiz darstellt und bereits der Anschein vermieden werden muss, die Politik könne die Justiz einschüchtern. Wenn es wie im vorliegenden Fall noch dazu so ist, dass das schriftliche Urteil noch gar nicht vorliegt und der Politiker auch die Umstände des Einzelfalls ganz offensichtlich nicht kennt, wirft das Fragen nach der rechtsstaatlichen Grundeinstellung des Ministers auf.

Es gibt schlicht Sachverhalte, in denen Polizeibeamte die Grenzen ihrer Befugnisse deutlich überschreiten und Straftaten im Amt begehen. Auch wenn Polizisten in Einzelfällen in Sekundenschnelle reagieren müssen und häufig provoziert werden, kann dies nicht bedeuten, dass Polizeibeamte sakrosankt sind und jedweder Exzess geduldet werden muss.

(via lawblog)

Update:
Der Justizminister hat gegenüber seinem Kabinettskollegen erfreulich deutlich reagiert.

posted by Stadler at 10:16  

12 Comments

  1. „Nun ist Rechtsprechungskritik durch Spitzenpolitiker ohnehin etwas, was in einem Rechtsstaat nicht vorkommen sollte“ – das ist eine Position, die ich für sehr seltsam halte. Warum sollte die Rechtsprechung von Kritik ausgenommen sein, insbesondere politischer? Im Gegenteil würde ich gerade von Innenpolitikern erwarten, dass sie ihre Position deutlich ausdrücken, und zwar auch im Zusammenhang mit einzelnen Fällen. Dass sich Richter davon nicht einschüchtern lassen sollten, liegt auf der Hand. Dafür braucht es aber kein Redeverbot für Politiker.

    Comment by sm — 22.06, 2011 @ 10:23

  2. Imho wird hier die Gewaltenteilung angesprochen.
    Da frag ich mich allerdings warum die anderen europ. Länder von Gewaltentrennung reden oder ist das nur „naming“?

    Comment by rantinandy — 22.06, 2011 @ 10:43

  3. @sm

    Diese Einstellung ist meiner Meinung nach nicht merkwürdig.
    Die Judikative ist an Recht und Gesetz gebunden – nicht an politisch genehmem. Kritik an Rechtsprechung ist juristisch zu begründen, nicht politisch. …
    Politische Ansichten mögen sich in Gesetzen niederschlagen.

    MfG
    Adrian

    Comment by Adrian — 22.06, 2011 @ 12:02

  4. Lasst den Herrn Minister doch seine lustigen Briefchen schreiben. Dummes Zeug zu labern ist SCHLIEßlich eine der Hauptaufgaben eines Innenministers.

    Außerdem hat er dem beklagten PHM damit keinen Gefallen getan. Nachdem die Antwort des Jusitzministers nunmehr an alle Richter verschickt wurde und soviel öffentliche Aufmerksamkeit bekommen hat, kann man davon ausgehen, dass ein Richter am LG das Urteil auf Biegen und Brechen bestätigen wird.

    Danke Herrn Minister :)

    Comment by TAB — 22.06, 2011 @ 14:15

  5. Ich finde den Brief ganz ok..denke es wird einer Richterin nicht schaden mal “das wirkliche“ Leben kennen zu lernen. Raus aus der gut bezahlten, warmen Beamtenklitsche, rein in die “böse“ Welt.

    Vielleicht klärt sich der Blick für so manches..vielleicht sollten alle Richter mal Praktika bei Polizei / Sozialeinrichtungen etc machen. Es gibt das Projekt “Seitenwechsel“ für Manager, warum nicht auch für Beamte.

    Comment by Sonja Meier — 22.06, 2011 @ 18:35

  6. @Sonja (#5): Nun, angehende Staatsanwälte und Richter machen genau das. Das steht nicht nur in dem verlinkten Brief des Justizministers; und ich kann das aus eigener Anschauung bestätigen, ein guter Freund war Staatsanwalt.

    Und Polizisten sind nicht immer ausschließlich die Guten und unfehlbar. (Natürlich nur eine Anekdote, aber ich hab einen erlebt, der offensichtlich ein Einbahnstraßenschild nicht richtig lesen konnte.)

    Sind wirklich alle Richter so weltfremd, werden sie in behaglichen abgelegenen Häuschen ohne Fernsehen und Internet gehalten, nur von Plüschtieren umgeben?

    Comment by fj — 22.06, 2011 @ 20:17

  7. Woher wissen Sie denn, dass die Richterin das wirkliche Leben nicht besser kennt als der Minister?

    Comment by Stadler — 22.06, 2011 @ 22:51

  8. Zitat:
    „Woher wissen Sie denn, dass die Richterin das wirkliche Leben nicht besser kennt als der Minister?“

    Ich weiß nicht, wie es mit dieser Richterin ausschaut, aber in Köln hat ein Jugendrichter vor ein paar Jahren in Köln einen jugendlichen Intensivtäter bis zum Prozessbeginn auf freien Fuß gelassen mit den Worten: „Es handelt sich hierbei um keine schwere Körperverletzung“.

    Dabei hat der Jugendliche einen Mann – ohne Grund und vor den Augen seiner kleinen Kinder – so stark zusammengeschlagen, dass der Mann für mehrere Wochen im Koma lag.

    Und, das kann man sich denken, war das nicht die erste schwere tat des Jugendlichen.

    Seit dem zweifle ich an dem „gesunden Menschenverstand“ bei den Richtern und Juristen und erfreue mich jedes mal über den Spruch:

    „[…] er war ein guter Jurist und auch sonst von mäßigem Verstande.“

    Comment by Der Kölner — 23.06, 2011 @ 02:04

  9. Der entscheidende Punkt ist in diesem Fall doch, dass der Herr Innenminister nicht nur einen Brief an eine Amtsrichterin geschrieben hat, das wäre noch von der Meinungsfreiheit gedeckt, wobei fraglich ist, ob ein Amtsträger als solcher sich auf dieses Grundrecht berufen kann, sondern dass der Brief quasi öffentlich war, weil er „den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Landespolizei“ zugesandt wurde. Das geht dann schon in Richtung Nötigung und Einschüchterung. Außerdem machen Referendare Nachtfahrten mit der Polizei. Wieso weiß das ein Innenminister nicht?

    Comment by fernetpunker — 23.06, 2011 @ 05:25

  10. @ Der Kölner
    Nach so einer Verallgemeinerung werde ich den schönen Spruch auch auf Sie gerne – jedoch ohne Halbsatz 1 – anwenden.

    Comment by nDrU — 23.06, 2011 @ 10:29

  11. @nDrU,

    wenn es von dir kommt, nehme ich das als Kompliment an. :-)

    Aber zu dem konkreten Fall fällt dir nix gescheites ein? War ja auch klar, habe ich nix anderes erwartet.

    Comment by Der Kölner — 23.06, 2011 @ 22:18

  12. Man werfe mal einen Blick hier hinein:

    http://www.schleswig-holstein.de/LGITZEHOE/DE/Service/Presse/PI/20110601.html

    Das war eine eindeutige Grenzüberschreitung durch den Beamten, der nicht mit den Besonderheiten der dienstlichen sekundenschnellen Nöte erklärbar ist. Schämen Sie sich, Herr Innenminister! Polizisten handeln nicht automatisch immer rechtmäßig. Hier nur mal ein Beispiel über eine Prügel-Wache in München; die Beamten wurden verurteilt (so etwas gab’s aber durchaus auch anderenorts, wie z. B. am Hamburger Großneumarkt):
    http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-16860766.html

    Comment by critical — 29.06, 2011 @ 17:12

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