Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

7.2.11

Verfassungsschutz und Verfassungsbruch

Es sind Meldungen wie diese, die mich gelegentlich daran zweifeln lassen, ob wir hier tatsächlich in einem Rechtsstaat leben. Der linke Jurist und Bürgerrechtler Rolf Gössner wurde 40 Jahre lang vom Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet. Zu Unrecht, wie das Verwaltungsgericht Köln jetzt entschieden hat.

Konkrete Belege für verfassungsfeindliche Aktivitäten haben wohl nie vorgelegen, aber der Verfassungsschutz meinte, dass gerade der Umstand, dass Gössner nicht Mitglied verfassungswidriger Organisationen war, ihn besonders verdächtig gemacht hat.

Weshalb man in diesem Land diejenigen, die die Verfassung schon nahezu systematisch brechen, als Verfassungsschützer bezeichnet, hat sich mir ohnehin nie wirklich erschlossen.

Auf der Website des BfV heißt es, dass drei Viertel der Bürger von der Notwendigkeit der Institution Verfassungsschutz überzeugt sind. Zu diesen Bürgern gehöre ich nicht (mehr), nachdem der Erkenntnisgewinn den die Verfassungsschutzbehörden liefern, äußerst gering ist, gleichzeitig aber offenbar systematisch Methoden angewandt werden, die eines Rechtsstaats unwürdig sind. Wer das nicht glaubt, sollte sich zum Beispiel mal näher mit den Gründen für das Scheitern des NPD-Verbotsverfahrens oder dem Fall A.I.D.A. befassen.

Selbst wenn das für manche platt klingen mag, aber auch als Steuerzahler habe ich wenig Lust, Behörden zu finanzieren, die konsequent rechtsstaatliche Grundsätze missachten und damit eine Art Staat im Staat bilden.

posted by Stadler at 20:09  

12 Comments

  1. >> dass gerade der Umstand, dass Gössner nicht Mitglied verfassungswidriger Organisationen war, ihn besonders verdächtig gemacht hat. <<

    Mit der Begründung könnte mal 99 Prozent aller Menschen überwachen.

    Comment by Sebi — 7.02, 2011 @ 22:10

  2. Selbstverständlich ist dieses Vorgehen nicht zu billigen. Mich verwundert es aber nicht so sehr, denn dergleichen Institutionen haben immer die gleiche Tendenz:
    Erstens die Neigung zu wachsen – um die Stellenpläne aufzublähen und immer mehr „Vorgesetztenfunktionen“ zu schaffen. Das bringt höhere Bezüge für die entsprechenden Amtsinhaber. Sparen bedeutet weniger Aufstiegschancen.
    Zweitens muß ständig ein Aktenfluß erzeugt werden – Beschäftigungsnachweis – der ‚vorgelegt‘, ‚geprüft‘, ’nachgeprüft‘ wird und Aktivität nachweist …. das allein schafft schon „Vorgänge“ – und wo an sich nichts zu finden wäre wird halt etwas konstruiert. Das schafft Arbeit und Existenzberechtigung ….

    Es ist die Mechanik, die Struktur, die Behörden innewohnt, die solche „Wasserköpfe“ schafft und am Leben hält. Durch die enge Beziehung und den Austausch zur Politik wird sich daran auch nichts Wesentliches ändern.

    Comment by wvs — 8.02, 2011 @ 01:59

  3. @Sebi die restlichen 1% kann man dann überwachen eben weil sie Mitglied einer verfassungsfeindlichen Organisation sind.

    Wieso gelten eigentlich SPD und CDU/CSU nicht als verfassungsfeindlich? Immerhin haben ja so einige von deren Gesetzen gegen die Verfassung verstoßen, wie das BVG festgestellt hat. Oder glaubt man noch, dass das alles „Unfälle“ waren?

    Comment by Snake — 8.02, 2011 @ 08:59

  4. @Snake
    Ich glaube, der Hassemer oder ein anderer Ex-BVerfG-Richter erklärte das mal so: Die Politik ist geleitet von ihren eigenen Bestrebungen, wie bspw. der Haushaltslage. Also von dem, was ihr operativ geboten und maximal herausholbar scheint. Und das BVerfG muss dann die Verfassungskonformität gewährleisten, jedoch ungeachtet politischer Zwänge wie bswp. eben dieser Haushaltslage.
    Das Bløde daran: es muss sich immer erst ein Enthusiast finden, der das dem BVerfG auf den Tisch packt.

    Comment by MNB — 8.02, 2011 @ 09:35

  5. Die Verfassungs(Be)Sch(mu)ützer kämpfen seit dem Celler Loch mit einem massiven Glaubwürdigkeitsproblem. Zu Recht, wie man sagen muss. Verfassungsschutz und BND und MAD heute noch abschaffen und wir können alle besser schlafen. Ich sehe im Inneren keine Probleme, welche nicht die Polizei lösen könnte. Wobei die auch manchmal derbe über die Strenge schlagen aber in der Regel haben sie da Öffentlichkeit.

    gruß

    Comment by Frank Schenk — 8.02, 2011 @ 11:08

  6. Der BND macht Sinn. Auf wessen Gehaltsliste sollen denn sonst die vielen Agent Provocateure, die gekauften Terroristen und die Führer der rechtsradikalen Parteien laufen wenn nicht auf der Gehaltsliste des Bundesamtes für Verfassungsschutz oder des BND?

    Comment by EuroTanic — 8.02, 2011 @ 12:05

  7. Tja, da haben wir einen Verfassungsschutz, obwohl wir nicht mal eine Verfassung haben, sondern nur ein provisorisches Grundgesetz, wie es in besetzten Ländern üblich ist.

    Comment by nephilim — 8.02, 2011 @ 16:56

  8. Also absolut !niemand! in diesem Land verstößt gegen die deute Verfassung oder bricht sie!
    Einen Sinn hat diese Organisation jedoch auch nicht und zwar aus dem gleichen Grund: Wir haben !KEINE! Verfassung.

    Ich glaube auch das keine 3/4 der Bevölkerung die Notwendigkeit dieser Organisation sehen. Aber was soll man schon auf seiner eigenen Seite schreiben? „Niemand will uns, aber es gibt uns trotzdem“ ?
    Das kann höchstens die GEZ.

    Apropo GEZ, seid wann dürfen Steuerzahler sich aussuchen, welche Organisationen sie Finanziell unterstützten ;)

    Comment by Havyrl — 8.02, 2011 @ 17:27

  9. Das Grundgesetz ist die Verfassung!

    Hört auf immer so ein Blödsinn zu verzapfen. Wenn man 1000-mal was falsches sagt wird es auch nicht richtiger. Ursprünglich war das Grundgesetz als Provisorium vorgesehen, aber da es keiner grundlegend neu aufbauen wollte ist es in die Verfassung übergegangen. Bei Gesetzen ist generell der Name nicht entscheidend sondern der Inhalt.

    Wer jetzt noch trollen will, sollte auf die Seite der NASA gehen und behaupten die Mondlandung hätte nie stattgefunden. (Ironie)

    Comment by Klaus — 9.02, 2011 @ 00:17

  10. Wir haben eine Verfassung. Auch wenn sie aus traditionellen Gründen Grundgesetz heißt.

    Das belegt schon der „Verfassungsschutz“, der eben nicht „Grundgesetzschutz“ heißt, sowie das Verfassungsgericht, as ebenfalls nicht „Grundgesetzüberwachungsgericht“ heißt

    Comment by Pascal — 9.02, 2011 @ 00:18

  11. Hallo,
    ich frage mich bei allen immer eines, wer überwacht den Überwacher? Mit anderen Worten, wer ist für die Überwachung des Verfassungsschutzes zuständig?

    Das GG ist unsere Verfassung, auch wenn sie nicht den Namen Verfassung hat.

    Bis dann
    LG von Richter169

    Comment by Richter169 — 9.02, 2011 @ 02:17

  12. Ich sehe es wie Herr RA Stadler. Auch „wehrhafte Demokratie“ muss sich an rechtsstaatliche Grenzen staatlichen Handelns halten, sonst sind wir schnell wieder im Bereich StaSi/GeStaPo.

    Comment by fernetpunker — 9.02, 2011 @ 20:30

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