Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

21.12.10

Zensurdiskussion: Was passiert in Ungarn wirklich?

Eine alarmistische Berichterstattung informiert uns derzeit darüber, dass Ungarn mit einem neuen Mediengesetz die Zensur einführt bzw. die Pressefreiheit außer Kraft setzt. Man muss also annehmen, dass dort Dinge im Gang sind, die sich deutlich von dem abheben, was in anderen EU-Staaten passiert. Die aufgeregte deutsche Berichterstattung ist inhaltlich leider äußerst vage und lässt kaum erkennen, was die wirklich kritischen Aspekte dieses neuen Gesetzes sind. Schließlich gibt es Medienaufsicht auch hierzulande und wenn man sich beispielsweise die deutschen Landesmedienanstalten anschaut, dann sind die politisch auch nicht wirklich neutral. Was ist also in Ungarn jetzt anders und schlimmer als in anderen europäischen Staaten?

Die dortige Aufsichtsbehörde scheint für alle Arten von Medien zuständig zu sein und  ist offenbar politisch nicht unabhängig. Welche konkreten materiellen Befugnisse ihr zustehen, besagt die deutsche Berichterstattung aber nicht. Bekannt ist allerdings, dass die OSZE das Gesetz scharf kritisiert hat und Parallelen zu totalitären Staaten zieht. Das Mediengesetz sieht offenbar außerdem auch keinen hinreichenden Schutz journalistischer Quellen vor. Wenn nur solche Quellen geschützt werden, die keine vertraulichen Informationen enthalten, ist ein Quellenschutz faktisch wertlos.

Trotz dieser Fragmente sind für mich bislang Umfang und Ausmaß der ungarischen Regelung nicht deutlich genug erkennbar. Sollte jemand Links auf eine (übersetzte) Textfassung des neuen ungarischen Mediengesetzes kennen, wäre ich deshalb für Hinweise dankbar.

posted by Stadler at 20:57  

4 Comments

  1. Die Analyse des ungarischen Mediengesetzes der OSZE gibt es als PDF:
    http://www.osce.org/documents/rfm/2010/09/45942_en.pdf

    Viele wichtige Hintergrundinformationen zum Gesetz gibt es hier:
    http://www.pesterlloyd.net/2010_48/48DebatteMediengesetz/48debattemediengesetz.html

    Comment by pixelpupser — 21.12, 2010 @ 22:01

  2. Vielen Dank insbesondere für den Link zur OSZE-Analyse. Die ist wirklich lesenswert und verdeutlicht die Konsequenzen dieser Gesetzgebung. Zudem zeigt sie sehr schön auf, dass viele der geplanten Regelungen europarechtswidrig sind und bspw. gegen die e-Commerce-RL oder die AVMD-RL verstoßen.

    Da finden Sie die von Ihnen gewünschtenInformationen, Herr Stadler.

    Comment by @ pixelpupser — 22.12, 2010 @ 13:47

  3. Die ungarischen Mediengesetze wären aus heutiger Sicht eines der Hauptgründe die Ungarn nicht in die EU aufzunehmen.

    Comment by Argentina — 22.12, 2010 @ 15:45

  4. Den Pesterloyd wollte ich Ihnen auch schon schicken. Ihnen als Jurist noch einige nichtjuristische Hintergrundinformationen: in Ungarn treibt eine faschistische Partei die schon weit rechts stehende Fidesz vor sich her. Diese Partei, Jobbik hat im Europaparlament 3 Sitze und die Frontfrau, Kristina Morvai, übrigens auch eine Juristin ist einschlägig bekannt:
    Ihr berühmtestes Zitat:

    “I would be glad if the so-called proud Hungarian Jews would go back to playing with their tiny little circumcised tail rather than vilifying me.”

    Hier ist ein Dossier über sie:
    http://www.nothingbritish.com/wp-content/uploads/2009/10/Kristina-Morvai-MEP-briefing-note-small.pdf
    Hier der englische Wikipedia-Eintrag:
    http://en.wikipedia.org/wiki/Krisztina_Morvai

    http://www.worthynews.com/5782-hungarys-anti-roma-anti-jewish-party-marching-to-europe-special-feature

    Ich will mich nicht zu Weit off topic bewegen, aber wenn gewünscht, liefere ich nach.

    Herr Stadler, falls Sie aus der Sicht eines Juristen dazu was schreiben,kann ich mir eine Menge Leute vorstellen, die Ihnen das dankend abnehmen.

    Comment by dagmar.schatz — 29.12, 2010 @ 11:34

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