Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

9.11.10

Keine Rechte an einer Domain?

Das OLG Brandenburg hat mit Urteil vom 15.09.2010 (Az.: 3 U 164/09) entschieden, dass ein Nutzungsrecht an einer Domain – sofern nicht der Schutz des Kennzeichen- oder Namensrechts greift – gegenüber einem Dritten, der zu Unrecht als neuer Domaininhaber eingetragen worden ist, nicht besteht.

Unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt kann der Kläger von der Beklagten die Einwilligung dazu verlangen, dass er an ihrer Stelle als Inhaber und administrativer Ansprechpartner der Domain in die Datenbank der DENIC eingetragen wird, sagt das OLG Brandenburg. Das Gericht ist insoweit der Meinung, dass ein solcher Anspruch schon aus Rechtsgründen nicht bestehen kann, weil die Domain als solche kein geschütztes Recht begründet. Das Landgericht hatte demgegenüber noch ein Nutzungsrecht an einer Domain als sonstiges Recht im Sinne von § 1004 Abs. 1 i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB anerkannt. Das OLG Brandenburg hat die Revision zum BGH zugelassen.

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts steht in Widerspruch zur Rechtspraxis. Der Rechtsverkehr betrachtet die Domain als vermögenswertes Gut, das Gegenstand von Veräußerungsgeschäften und Übertragungen ist. Auch die Vergabestellen wie DENIC haben ein formalisiertes Verfahren der Domainübertragung entwickelt und gehen davon aus, dass die Inhaberschaft an Domains auf diesem Wege übertragen wird.

Wenn man andererseits bedenkt, dass selbst der Besitz wegen des ihm innewohnenden tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses über die Sache als sonstiges Recht im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB anerkannt ist, muss auch die tatsächliche Herrschaft über eine Domain, die aus dem Umstand der formellen Eintragung als Domaininhaber resultiert, geschützt sein. Diese Eintragung verleiht nämlich die faktische Möglichkeit, die Domain zu benutzen und über die Domain zu verfügen, während der Nichteingetragene davon ausgeschlossen bleibt. Im Ergebnis muss ein Schutz der Domain als sonstiges Recht im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB anerkannt werden.

posted by Stadler at 18:24  

9 Comments

  1. Ich verstehe Ihre Kritik an dem Urteil nicht.

    Das Gericht hat doch nur entschieden, dass der „Besitz“ einer Domain kein absolutes Recht darstellt und keinen echten „Besitztatbestand“ erfüllt, sondern wie schon der BGH (BGH, Beschluss vom 05.07.05, Az.: VII ZB 5/05) entschieden hat, nur ein „Rechtebündel“ gegenüber der Vergabestelle ist.

    Was für eine Rechtspraxis spricht denn dagegen?

    Dass das Anspruchsbündel gegenüber der DENIC ein „vermögenswertes Gut“ ist bereitet keiner. Aber der § 823 BGB schützt nun mal das Vermögen nicht.

    Grüße

    Arno Lampmann

    Comment by Arno Lampmnn — 9.11, 2010 @ 19:34

  2. BVerfG
    Beschluss vom 24.11.2004
    1 BvR 1306/02

    ad-acta.de

    1. Zum Eigentum nach Art 14 GG gehören auch die auf dem Abschluss von Verträgen beruhenden, obligatorischen Forderungen. Schuldrechtliche Ansprüche sind zwar nur gegen den jeweiligen Vertragspartner gerichtet, jedoch dem Forderungsinhaber ebenso ausschließlich zugewiesen wie Eigentum an einer Sache. Der registrierte Inhaber einer Internet-Domain kann ein aus dem Vertragsschluss mit der Vergabestelle (hier: DENIC e.G.) folgendes Nutzungsrecht an der Domain und damit eine eigentumsfähige Position iSd Art 14 GG (Eigentumssschutz) geltend machen.

    2. Unabhängig von diesem dem verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz zugänglichen Nutzungsrecht kann dem Inhaber einer Internet-Domain an der die Second Level Domain bildenden Zeichenfolge eine marken- oder kennzeichenrechtlich begründete Rechtsstellung zukommen, die ihrerseits grundsätzlich gleichfalls vom Schutzbereich des Art 14 GG erfasst sein kann.

    3. Kennzeichenrechtliche Vorschriften, wie z.B. jene des Markengesetzes, die einem Marken- bzw. Kennzeicheninhaber Unterlassungsansprüche gegen denjenigen einräumen, der durch Marken- bzw. Kennzeichengebrauch seine Interessen verletzt, stellen verfassungsrechtlich unbedenkliche Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Art 14 GG dar.

    „…
    a) Die Beschwerdeführerin kann zwar geltend machen, in ihrem Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG betroffen zu sein, weil ihr aus dem Vertragsschluss mit der DENIC e.G. folgendes Nutzungsrecht an der Domain eine eigentumsfähige Position in diesem Sinne darstellt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gehören zum Eigentum nach Art. 14 GG auch die auf dem Abschluss von Verträgen beruhenden, obligatorischen Forderungen. Schuldrechtliche Ansprüche sind zwar nur gegen den jeweiligen Vertragspartner gerichtet, jedoch dem Forderungsinhaber ebenso ausschließlich zugewiesen wie Eigentum an einer Sache (vgl. zum Beispiel BVerfGE 45, 142 ).

    Entgegen vereinzelten Literaturstimmen (Koos, MMR 2004, S. 359 ; wohl auch Fezer, Markenrecht, 3. Aufl. 2001, § 3 Rn. 301) erwirbt der Inhaber hingegen weder das Eigentum an der Internet-Adresse selbst noch ein sonstiges absolutes Recht an der Domain, welches ähnlich der Inhaberschaft an einem Immaterialgüterrecht verdinglicht wäre. Vielmehr erhält er als Gegenleistung für die an die DENIC e.G. zu zahlende Vergütung das Recht, für seine IP-Adresse eine bestimmte Domain zu verwenden – und damit ein relativ wirkendes, vertragliches Nutzungsrecht, wobei die unbestimmte Vertragsdauer verbunden mit den vorgesehenen Kündigungsmöglichkeiten auf den Charakter des Rechtsverhältnisses als Dauerschuldverhältnis hinweisen (vgl. Viefhus, MMR 2000, S. 286 ; Kort, DB 2001, S. 249 ; Kazemi/Leopold, MMR 2004, S. 287 ; Nowrot, Verfassungsrechtlicher Eigentumsschutz von Internet-Domains, 2002, S. 9). Dieses Nutzungsrecht stellt einen rechtlich geschützten Vermögenswert dar (vgl. Plaß, WRP 2000, S. 1077 ; Viefhus, aaO; Kazemi/Leopold, aaO; Nowrot, aaO S. 14). Es ist dem Inhaber der Domain ebenso ausschließlich zugewiesen wie Eigentum an einer Sache. Die Berechtigung der DENIC e.G., den Vertrag aus wichtigem Grund zu kündigen, steht der Qualifizierung des vertraglichen Nutzungsanspruchs als verfassungsrechtlich geschütztes Eigentum nicht entgegen (vgl. BVerfGE 89, 1 zum Besitzrecht des Mieters), sondern begrenzt lediglich den Umfang des Rechts (vgl. BGHZ 123, 166 ).

    Unabhängig von diesem dem verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz zugänglichen Nutzungsrecht kann dem Inhaber einer Internet-Domain an der die Second Level Domain bildenden Zeichenfolge eine marken- oder kennzeichenrechtlich begründete Rechtsstellung zukommen, die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ihrerseits grundsätzlich gleichfalls vom Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG erfasst sein kann (vgl. BVerfGE 51, 193 ; 78, 58 ; vgl. weiter Kazemi/Leopold, aaO ; Nowrot, aaO S. 11 ff.). Im Ausgangsfall macht die Beschwerdeführerin ein derartiges Marken- oder Kennzeichenrecht an der Zeichenfolge „ad-acta“ allerdings nicht substantiiert geltend.
    …“

    http://www.bverfg.de/entscheidungen/rk20041124_1bvr130602.html

    Comment by RA Michael Seidlitz — 9.11, 2010 @ 20:16

  3. @Arno Lampmann:
    Sagen Sie mir doch, was an meiner Argumentation falsch ist?
    Die Konsequenz der Entscheidung ist doch die, dass keine Möglichkeit mehr besteht, sich gegen den fehlerhaften „Besitzerwechsel“ zur Wehr zu setzen, jedenfalls nicht gegenüber dem neuen Domaininhaber. Das halte ich angesichts der Bedeutung die die Domain mittlerweile hat, nicht für sachgerecht.

    Comment by Stadler — 9.11, 2010 @ 22:19

  4. @RA Michael Seidlitz: So what? Welchen Schluss lässt ein Schutz durch Art. 14 Abs. 1 GG auf einen Schutz nach § 823 Abs. 1 BGB zu?

    Comment by ElGraf — 10.11, 2010 @ 09:09

  5. @ Michael Seidlitz:
    Ich kenne die Entscheidung, bin mir aber nicht ganz sicher, was Du uns damit sagen willst. Die Entscheidung des BVerfG spricht m.E. eher gegen die Rechtsprechung des OLG Brandeburg als dafür.

    Comment by Stadler — 10.11, 2010 @ 10:32

  6. @ElGraf: Zivilrechtliche Schlussfolgerungen aus Entscheidungen des BVerfG sind immer schwierig. ;-)

    Die Frage muss aber lauten, ob die Aussage des BVerfG, dass es sich um einen geschützten Vermögenswert handelt, der dem Inhaber ausschließlich zugeordnet ist, zivilrechtlich irrelevant ist oder nicht doch darauf hindeutet, dass dieser Schutz auch auf das Deliktsrecht ausstrahlt. Mir scheint hier eine gewisse sachliche Parallele zum Besitz naheliegend.

    Comment by Stadler — 10.11, 2010 @ 10:37

  7. Die Frage ist doch im Grunde auch schon wieder ein alter Hut, über den man sich schon vor Jahren Gedanken gemacht hat (siehe etwa Koos, MMR 2004, 359). Dass das OLG Brandenburg diese Gedanken nicht aufgreift, ist natürlich ärgerlich, andererseits übergeben sie die Frage immerhin dem BGH, so dass VIELLEICHT am Ende doch was Vernünftiges rauskommt. Und: Ja, ich bin grundsätzlich dafür, die Domain als sonstiges Recht iSd § 823 Abs. 1 BGB zu behandeln.

    Comment by ElGraf — 11.11, 2010 @ 10:09

  8. Wetten dass … Der BGH wird’s richten. Alles andere liefe auch an der bisherigen obergerichtlichen Rechtspraxis zum Gehalt des Domainrechts vorbei (vgl. auch aktuelles Urteil des OLG Frankfurt a.M. v. 05.08.2010 – 6 U 89/09http://goo.gl/ty9DR unter Verweis auf BGH-Urteile aus 2004, 2005, 2008 un 2009).

    Comment by Ralf Petring — 12.11, 2010 @ 18:06

  9. Die Lösung müsste mE doch mit den herkömmlichen Mitteln möglich sein, die auch sonstigen vertraglichen Ansprüchen in Betracht kommen. Das heisst, entweder der Kläger war und ist richtiger Vertragspartner der DENIC, dann hat er einen vertraglichen Anspruch, dass diese ihm auch wieder Zugang verschafft. Ist er dies nicht, scheitert dieser Anspruch. Wo ist das Problem?

    Gegen einen Dritten würde ich einen Anspruch aus § 812 prüfen. (Ich habe das jetzt nicht vertieft untersucht, aber mir fällt der Eingriff in den Zuweisungsgehalt eines fremden Rechts ein.)

    Comment by Arno Lampmann — 13.11, 2010 @ 15:18

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