Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

24.10.10

Hobby-Ermittler und Hobby-Juristen am „Tatort Internet“

Der Produzent des umstrittenen RTL2-Formats „Tatort Internet“ Daniel Harrach versucht sich in der FAZ nun auch noch als Hobby-Jurist und erklärt den Lesern, warum das sog. Grooming in Deutschland angeblich nicht strafbar sei. Die Ausführungen von Harrach haben nur einen Schönheitsfehler, sie sind juristisch unzutreffend.

Die Aussagen Harrachs zur deutschen Rechtslage lauten wörtlich:

„Wie sieht die Rechtslage derzeit aus? Der sexuelle Missbrauch von Kindern ist in Deutschland laut Paragraph 176 des Strafgesetzbuches strafbar. Das ist gut und richtig. Auch der Versuch ist laut Absatz 6 strafbar – jedoch ausdrücklich nicht, wenn ein Erwachsener „auf ein Kind durch Schriften einwirkt, um es zu sexuellen Handlungen zu bringen“, oder „auf ein Kind durch Vorzeigen pornographischer Abbildungen oder Darstellungen, durch Abspielen von Tonträgern pornographischen Inhalts oder durch entsprechende Reden einwirkt“. Wieso soll ausgerechnet eine solche Einwirkung, die Minderjährige für sexuelle Handlungen gefügig machen will, straffrei bleiben? Auch ist es eine rechtliche Grauzone, wo der „Versuch“ des sexuellen Missbrauchs endet und wo er zu einer strafbaren Handlung wird. Es bedarf unbedingt der Klarheit.“

Da ist der Laie erstaunt und der Fachmann wundert sich. Der deutsche Gesetzgeber hat im Jahre 2008 das Sexualstrafrecht verschärft und u.a. die Vorschrift des § 176 Abs. 4 Nr. 3 StGB geschaffen, die die Strafbarkeit des sexuellen Missbrauchs von Kindern deutlich ausdehnt und Handlungen unter Strafe stellt, die das Stadium des Versuchs eines Missbrauchs noch nicht erreicht haben. Damit ist, entgegen der Aussage von Harrach, das sog. Grooming grundsätzlich strafbar. Die Strafbarkeit wird durch diese Vorschrift nämlich weit nach vorne verlagert und setzt zeitlich vor dem Stadium des Versuchs im strafrechtlichen Sinne an. Bestimmte Vorbereitungshandlungen, die bisher straflos waren, sind damit unter Strafe gestellt worden. Nachdem diese Strafbarkeit aber zeitlich ohnehin bereits vor Beginn des Versuchsstadiums einsetzt, kann der Versuch dieser Handlung logischerweise nicht mehr unter Strafe gestellt werden. Dass es keinen Versuch einer Vorbereitungshandlung geben kann, ist den Grundsätzen der Denklogik geschuldet und stellt keine Strafbarkeitslücke dar.

Der Umstand, dass die bei „Tatort Internet“ gezeigten Fälle im Ergebnis nicht strafbar sein dürften, hat einen anderen Hintergrund. Denn § 176 StGB verlangt als Tatobjekt ein Kind. Bei RTL2 werden die vermeintlichen Täter von einer älteren Journalistin angelockt und vor Ort dann von einer 18-jährigen Schauspielerin beschwatzt. Ein Kind und damit ein taugliches Tatobjekt ist nicht im Spiel.

posted by Stadler at 19:27  

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