Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

8.10.10

Das Urheberrecht als Mittel zur Unterdrückung von Informationen

Das Urheberrecht wird in letzter Zeit immer häufiger dafür benutzt, der Öffentlichkeit brisante und unliebsame Informationen vorzuenthalten. Adrian Schneider beschäftigt sich bei Telemedicus mit dieser Frage und nennt als Beispiel den aktuellen Fall der Stadt Duisburg, die versucht hat, mithilfe des Urheberrechts die Veröffentlichung interner Dokumente zur LoveParade-Katastrophe zu verhindern.

Schneider weist zu Recht darauf hin, dass das Urheberrecht nicht als äußerungsrechtliches Instrument gedacht ist, sondern die Urheber und Leistungserbringer schützt und und nicht diejenigen, die bestimmte Informationen vor der Öffentlichkeit verbergen wollen. Der Autor möchte dieses Problem über eine Ausweitung des Zitatrechts lösen.

Letztlich haben wir es in solchen Fällen mit einem Missbrauch des Urheberrechts zu tun, für urheberrechtsfremde Zwecke. In diesen Fällen ist allein aus verfassungsrechtlichen Gründen eine einschränkende Auslegung des urheberrechtlichen Schutzumfangs geboten. Die Lösung ist m.E. aber eher im Bereich von Treu und Glauben zu suchen als beim Zitatrecht.

Es wäre in jedem Fall spannend, einen entsprechenden Fall vor das Bundesverfassungsgericht zu bringen, um zu sehen, wie das Gericht derartige Fälle beurteilt.

posted by Stadler at 07:58  

11 Comments

  1. Das BKA hat letztes Jahr meinen Wunsch, gemäß IFG Einblick in die damals aktuellen Verträge zwischen BKA und den Internet-Providern bezüglich Zensursula u.A. auch mit dem Hinweis auf das Urheberrecht der Beteiligten abgelehnt…

    Comment by Siegfried Schlosser — 8.10, 2010 @ 08:13

  2. Ich glaube allerdings, dass das Urheberrecht hinter dem allgemeinen Interesse an der Klärung eines solchen Falles zurücktritt – ähnlich wie das recht am eigenen Bild (Fall Caroline v Monaco).
    Außerdem fallen einfache Dokumente nicht unbedingt unter das UrhG, da immer eine gewisse schöpferische Höhe vorausgesetzt sein muss um dieses Recht in Kraft treten zu lassen.

    Comment by jonathan beddig — 8.10, 2010 @ 08:17

  3. Ein Fall, der diese Problematik nochmals eindrucksvoll unterstreicht, ist übrigens der Fall der Zeitschrift „Zeitungszeugen“. Hier hat der Freistaat Bayern versucht, die Publikation von Nachdrucken der Zeitungen „Der Angriff“ und „Völkischer Beobachter“ (zu Bildungszwecken!) mit Verweis auf daran bestehende Urheberrechte zu verhindern – ist aber letztlich vor dem OLG München gescheitert.

    Comment by sebastian — 8.10, 2010 @ 08:44

  4. Das ist mal ein informativer Bericht, mein Dank. Muss man mal drüber nachdenken. Generell find ich diesen Blog gut zu lesen. Ist schon im Feedreader!

    Macht weiter so!

    Comment by Raimund — 8.10, 2010 @ 09:01

  5. Also die optimale Lösung wäre eine gesetzgeberische. Dass es bei einer Ausweitung des Zitatrechts vor allem europa- und völkerrechtlich schwierig wird, habe ich im Artikel ja schon erwähnt.

    Eine Lösung über Treu und Glauben finde ich interessant. Wie genau stellst du dir das denn vor?

    Der BGH hat den Grundsatz von Treu und Glauben zwar im Google-Thumbnails-Fall angewendet, ich meine aber, das war mehr eine Notbremse als eine dauerhafte, saubere Lösung.

    Ich sehe vor allem auch sehr wenige Ansatzpunkte für § 242 BGB im Fall von geleakten Dokumenten: Der Urheber hat selbst sein Werk in keiner Weise in die Öffentlichkeit gebracht. Er hat nichts getan, wodurch der potentielle Schuldner davon ausgehen konnte, er sei zur Veröffentlichung des Werkes berechtigt – anders als in der Thumbnails-Sache.

    Comment by Adrian — 8.10, 2010 @ 11:11

  6. @Adrian: ich gebe Dir völlig Recht, dass die Gesetzgeberische Lösung die saubere wäre und jeder andere Ansatz immer etwas unscharf ist. Nachdem Generalklauseln wie § 242 BGB ja die Schnittstellen darstellen, über die ich verfassungsrechtliche Aspekte ins Zivilrecht bekomme, halte ich das für den – de lege lata – einzigen Ansatz einer verfassungskonformen Auslegung des Urheberrechts. Man kann die Berufung auf das Urheberrecht in Fällen wie in Duisburg m.E. schon als rechtsmissbräuchlich und damit treuwidrig qualifizieren. Wenn eine Behörde handelt, hat man natürlich noch das zusätzliche Argument, dass die unmittelbar an die Grundrechte gebunden ist.

    Comment by Stadler — 8.10, 2010 @ 12:15

  7. Ich tue mich mit der Lösung immer noch ein bisschen schwer. Worin genau soll das treuwidrige Verhalten des Urhebers liegen? In welchen genauen Umstand soll der Verwender geleakter Dokumente vertrauen dürfen, der ihm eine Veröffentlichung erlaubt?

    Selbst der BGH tut sich ausgesprochen schwer damit, über die Regelungen im Urheberrecht hinaus eigene Wertungen einfließen zu lassen. Sehr deutlich hat er das in der Gies-Adler-Entscheidung gesagt:

    „Soweit das Gesetz den Kommunikationsgrundrechten des Art. 5 GG, insbesondere der Pressefreiheit, aber nicht hinreichend Rechnung trägt und eine Lösung durch eine verfassungskonforme Auslegung des Gesetzes – etwa wegen eines eindeutigen Gesetzeswortlauts – nicht möglich erscheint, ist es allein Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, die Verfassungswidrigkeit der betreffenden gesetzlichen Bestimmung festzustellen. Der Zivilrichter kann diesen Konflikt nicht durch Nichtanwendung der seines Erachtens verfassungswidrigen Bestimmung lösen.“

    Insofern sehe ich in diesem konkreten Fall auch für § 242 BGB schwarz. In der Thumbnails-Entscheidung lag der Ausweg darin, das konkrete Verhalten des Klägers als treuwidrig zu interpretieren (Suchmaschinenoptimierung -> Klage gegen Suchmaschine). Damit umgeht man auch die europarechtlichen Vorgaben, indem man das Problem weg von den urheberrechtlichen Regelungen hin zur rechtsmissbräuchlichen Rechtewahrnehmung lenkt.

    Anders wäre das bei geleakten Dokumenten: Dort läge die Treuwidrigkeit nicht im Verhalten des Klägers, sondern in der bloßen Anwendung der Norm. Nach der Gies-Adler-Entscheidung sehe ich da für „Treu und Glauben“ schwarz.

    Abgesehen davon löst das auch nicht die Problematik, dass europarechtlich genau dieser Anwendungsfall – nämlich die Verbreitung nicht veröffentlichter Dokumente – eindeutig geregelt ist. Und zwar zu Lasten der Zitatfreiheit.

    Klar, kann sein, dass der BGH im Zweifel sagen wird: Ich widerrufe meine Aussage von Gies-Adler und behaupte das Gegenteil. Aber das ist doch kein Zustand, dass wir ein systematisches Problem mit dem Urheberrecht haben und der BGH ständig durch Dogmatik-Mikado die Kohlen aus dem Feuer holen muss.

    Comment by Adrian — 8.10, 2010 @ 16:37

  8. Meine bescheidene Laienmeinung:

    BVerfG Karlsruhe: Bitte übernehmen Sie (‚mal wieder / wie immer)!

    Comment by Baxter — 8.10, 2010 @ 18:29

  9. @Baxter: An Bescheidenheit (mal wieder/wie immer) kaum zu übertreffen.

    Adrians Bedenken gegenüber einer Lösung über § 242 BGB teile ich, zumal man sich auch noch mit der Problematik einer „Umgehung“ der europarechtlichen Vorgaben auseinandersetzen müsste. Im Übrigen basiert die Thumbnail-Entscheidung gerade nicht auf § 242 BGB, sondern – dogmatisch ebenso problematisch – auf dem Instrument der „schlichten Einwilligung“.

    Comment by ElGraf — 9.10, 2010 @ 12:28

  10. @ElGraf: Jein. Das was der BGH „schlichte Einwilligung“ nennt, ist im Grunde nichts anderes als eine Art „venire contra factum proprium“, auch wenn er 242 BGB nicht heranzieht.

    Comment by Stadler — 9.10, 2010 @ 23:21

  11. @Stadler: § 242 BGB wurde – in bewusster Abgrenzung zum Berufungsgericht – explizit nicht herangezogen.

    Comment by ElGraf — 10.10, 2010 @ 12:45

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