Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

2.6.10

BGH zum „Zu-eigen-machen“ von Inhalten im Internet

Der Volltext der Entscheidung „marions-kochbuch“ (Urteil vom 12. November 2009, Az.: I ZR 166/07) ist nunmehr online.

Der Bundesgerichtshof beschäftigt sich in seinem Urteil vor allen Dingen mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen sich ein Content-Anbieter fremde Inhalte zu eigen macht, mit der Folge, dass er für sie haftet, wie für eigene Inhalte.

Der BGH lässt hierfür bereits den Umstand ausreichen, dass jemand fremde Inhalte auf Vollständigkeit und Richtigkeit überprüft und sie anschließend freischaltet. Das müsste dann allerdings auch bedeuten, dass eine Zeitung sich einen Leserbrief zu eigen macht, den sie vor dem Abdruck einer groben Inhaltsprüfung unterzogen hat. Für Onlineanbieter ergibt sich daraus ein weiteres Dilemma. Denn einerseits bejaht man einen auf die Störerhaftung gestützten Unterlassungsanspruch gerade deshalb, weil der Plattformbetreiber zumutbare Prüfpflichten verletzt hat, während der BGH andererseits annimmt, dass sich der Plattformbetreiber fremde Inhalte zu eigen macht, wenn er sie inhaltlich prüft. Ob sich dahinter tatsächlich ein stringentes und konsistentes Haftungsregime verbirgt, sollte der 1. Senat kritisch hinterfragen.

Nicht zu beanstanden ist die weitere Annahme des BGH, dass eine umfassende Einräumung urheberrechtlicher Nutzungsrechte für ein Zu-eigen-machen spricht. Zumal dann, wenn man Dritten anbietet, die fremden Beiträge und Abbildungen kommerziell zu nutzen. Der BGH hätte allerdings gut daran getan, sich auf diesen Aspekt zu beschränken. Denn der zweite und durchaus fragwürdige Begründungsansatz des Senats wird im Internet für neue Rechtsunsicherheit sorgen.

posted by Stadler at 12:13  

6 Comments

  1. Da das mit dem Trackbacken aus irgendwelchen Gründen (vornehmlich wohl meiner eigenen Unfähigkeit) nicht klappt, hier ein manueller Link zu meiner Anmerkung zu den Anmerkungen: http://elgraf.wordpress.com/2010/06/02/marions-kochbuch-teil-replik-zu-telemedicus-fazit/

    Comment by ElGraf — 2.06, 2010 @ 17:58

  2. Die redaktionelle Überprüfung alleine reicht nach Ansicht des BGH aber schon für ein Zueigenmachen aus. Im Urteil heißt es wörtlich:

    „Indem sie sich die Abbildungen des Klägers zu eigen gemacht hat, liegt eine eigene Werknutzung durch die Beklagte zu 1 vor. Die Veröffentlichung urheberrechtlich geschützter Inhalte im Internet ist eine Werknutzung durch denjenigen, dem die Veröffentlichung als eigener Inhalt zuzurechnen ist. Insbesondere ist Werknutzer, wer wie die Beklagte zu 1 von Internetnutzern hochgeladene Inhalte erst nach einer Kontrolle freischaltet und dann zum Abruf bereithält (vgl. Hoeren in Loewenheim/Koch, Praxis des Online-Rechts, 2001, S. 435; Dustmann, Die privilegierten Provider, 2001, S. 158). Nach den – von der Revision unangegriffenen – Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte zu 1 die Kochrezepte nebst Fotos erst auf ihrer Internetseite freigeschaltet, nachdem sie die Rezepte auf Richtigkeit und Vollständigkeit und die Lichtbilder auf eine professionelle Anfertigung überprüft hatte.“

    Und genau darin liegt die Problematik des Urteils.

    Comment by admin — 2.06, 2010 @ 21:08

  3. In dem von Ihnen zitierten Abschnitt geht es allerdings nicht um die Abgrenzung fremde/eigene Inhalte, sondern um die Werknutzung überhaupt. Ich gebe zu, dass sich das isoliert gesehen einigermaßen seltsam liest und auch nicht sonderlich gut begründet ist. Allerdings ist die Differenzierung m.E. nach wie vor sinnvoll durchführbar: (1) Eine Werknutzung liegt vor, wenn man ein Werk bewusst veröffentlicht (so der von Ihnen zitierte Abschnitt); (2) man ist hinsichtlich durch diese Veröffentlichung verursachte Urheberrechtsverletzungen nach § 10 TMG nur dann privilegiert, wenn es sich nicht um zu eigen gemachte Inhalte handelt. Das ist aber dann der Fall, wenn die von mir geschilderten Voraussetzungen (nach außen erkennbare Verantwortungsübernahme) vorliegen.

    Comment by ElGraf — 3.06, 2010 @ 01:22

  4. @ElGraf:
    Ich möchte Ihnen da grundsätzlich gar nicht widersprechen. Die Entscheidung kann aber leider auch so verstanden werden, dass allein die (redaktionelle) Prüfung eines Fremdbeitrags für ein Zueigenmachen genügt. Und genau diese Auslegung wird man in Zukunft in den Schriftsätzen von Kollegen und Urteilen von Instanzgerichten wiederfinden. Und genau darin liegt die Problematik des Urteils.

    Comment by admin — 3.06, 2010 @ 12:26

  5. Zum Glück gibt es dann ja kundige Anwälte auf der Gegenseite, die dieses furchtbare Zerrbild gerade rücken können. Oder vielleicht handelt einmal der Gesetzgeber? Ok, das letzte war natürlich ein Scherz.

    Comment by ElGraf — 3.06, 2010 @ 17:11

  6. „Das müsste dann allerdings auch bedeuten, dass eine Zeitung sich einen Leserbrief zu eigen macht, den sie vor dem Abdruck einer groben Inhaltsprüfung unterzogen hat.“

    Äh… eine Zeitung IST presserechtlich für Leserbriefe verantwortlich, die sie veröffentlicht.

    Wenn in einem Leserbrief unwahre Tatsachen behauptet werden, haftet grundsätzlich auch die verbreitende Zeitung. Daher kann auch bei einer Äußerung in einem Leserbrief eine Gegendarstellung verlangt werden (OLG Hamburg AfP 1983, 345).

    Comment by Tom Rohwer — 25.06, 2012 @ 17:16

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