Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

13.4.10

OLG Hamburg offenbart brillanten technischen Sachverstand

In einer neuen Entscheidung des OLG Hamburg (Beschl. v. 02.03.2010, Az.: 5 W 17/10)findet sich folgende bemerkenswerte Passage:

„Dies gilt erst recht in Fällen wie dem vorliegenden, in dem das Unternehmenskennzeichen der Antragstellerin im Quelltext sogar in die Titelangabe der entsprechenden Webseite aufgenommen wurde. Denn hierdurch wird nicht nur, wie bei den „einfachen“ Metatags, die Auffindbarkeit durch Suchmaschinen bei Eingabe des entsprechenden Suchbegriffs erhöht, sondern nach der Darlegung der Antragstellerin wird die angezeigte Seite hierdurch in der Titelleiste zusätzlich mit einem Titel versehen, der das Unternehmenskennzeichen enthält.“

Also Keywords- und Description-Tag zählen  zu den einfachen Meta-Tags, während der Title-Tag demgegenüber ein besonderer Meta-Tag ist, weil hierdurch in der Titelleiste zusätzlich ein Titel erzeugt wird? Was für eine bahnbrechende Erkenntnis.

Ich will Derartiges im Jahr 2010 eigentlich nicht mehr in einem Urteil eines Oberlandesgerichts lesen.

Die rechtliche Würdigung des OLG Hamburg ist insgesamt zumindest fragwürdig. Ob sich die Frage der Verwechslungsgefahr bei Unternehmenskennzeichen tatsächlich ohne Ausführungen zum konkreten  Inhalt der Website beantworten lässt, möchte ich bezweifeln. Nur weil ein Unternehmenskennzeichen in einem Title-Tag oder als Teil einer URL auftaucht, muss der durchschnittliche Internetnutzer nach Aufruf der Website nicht unbedingt und stets annehmen, dass diese Website von dem fraglichen Unternehmen stammt. Das wird vielmehr sehr stark von Inhalt und Gestaltung der Website abhängen. Und genau hierzu sagt das OLG nichts.

posted by Stadler at 17:37  

13 Comments

  1. Naja, so falsch ist das inhaltlich nun auch wieder nicht. Viel mehr stört mich, dass das Gericht hier keine eigene Erkenntnis verbreitet, sondern: „… nach der Darlegung der Antragstellerin“ judiziert.

    Comment by RA JM — 13.04, 2010 @ 18:06

  2. Die zitierte Passage trifft nicht nur inhaltlich zu, sondern es ist auch kein Problem, dass das Gericht „… nach der Darlegung der Antragstellerin” judiziert. Damit wird klargestellt, dass das Gericht sich keinen technischen Sachverstand anmaßen will, sondern ganz nach den Spielregeln der ZPO nach unbestrittenem klägerischen Sachvortrag entschieden hat. Ist doch alles super.

    Comment by hm — 13.04, 2010 @ 19:30

  3. Was besagt die zitierte Stelle inhaltlich? M.E. nichts und genau das, habe ich versucht zum Ausdruck zu bringen.

    Comment by admin — 13.04, 2010 @ 21:15

  4. Was die Stelle besagt? Wenn der Autor etwas im HTML-Quelltext als Titelangabe kennzeichnet, dann wird dem Leser diese Angabe im Browser als Titel angezeigt. (Ja,für uns ist das banal. Für die meisten Menschen ist es aber „nur“ naheliegend.)

    Comment by hm — 13.04, 2010 @ 22:13

  5. Und das ist dann noch perfider als eine Benutzung als Keyword?

    Der entscheidende Schwachpunkt der Entscheidung besteht darin, dass bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr nicht auf den Inhalt der Website eingegangen wird. Allein der Umstand, dass ein Unternehmenskennzeichen im Title-Tag auftaucht, spricht nicht zwingend für eine Kennzeichenrechtsverletzung.

    Comment by admin — 14.04, 2010 @ 10:20

  6. Wieso, der Titel besagt doch, was darin zu finden ist.

    Wenn auf einer Packung „Milch“ steht, erwarte ich darin Milch, wenn auf einer Tür „Herrentoilette“ steht, erwarte ich dahinter ben das, und wenn ich ein Buch mit dem Titel „Frankreich“ kaufe, erwarte ich ja auch Frankreich darin.

    Nicht etwa einen Reiseführer zu Frankreich.

    Oder… Moment mal… ;-)

    Comment by Zweifler — 14.04, 2010 @ 11:58

  7. Ich denke die Unterscheidung zwischen Metatags und dem Title-Tag ist schon erheblich.
    Das erkennt man alleine daran, dass das Title-Tag eben kein Metatag ist. Die Vorsilbe Meta bedeutet lt. Duden „zwischen.., um.., mit…, nach…“, also etwas Nachrangiges.
    Der Title-Tag gehört dagegen zum Kern-HTML, ist hierin auch definiert, was für viele Metatags nicht der Fall ist. Dazu kommt noch, dass das Title-Tag außerordentlich prominent verwendet wird, z.B. in der Liste der Suchmaschinenergebnisse wird meist der Inhalt des Title-Tags wiedergegeben, auch das Browserfenster erhält in der Windows-Taskleiste den Namen des Title-Tags (das meinte wohl die angeführte Antragstellerin).
    Keyword-Metatags werden dagegen im Browser nicht angezeigt, aber sollen von Suchmaschinen gefunden werden (wobei heutzutage die Suchmaschinen-Crawler diesen Keywords kaum noch Bedeutung zumessen sollen). Hier könnte durch die Verwendung eines fremden Unternehmenskennzeichen durchaus der Nutzer aktiv – und nicht nur durch die Platzierung in der Suchmaschinen-Ergebnisliste – in die Irre geführt werden.

    So eine Begründung hätte dem zitierten Urteil allerdings nicht geschadet, und was „einfache“ Meta-Tags sein sollen erschließt sich mir auch nicht – gibt es auch „komplizierte“ oder „mehrfache“ Meta-Tags ?

    Comment by Oliver — 14.04, 2010 @ 13:25

  8. Diese Besserwisserei und das nerdige „Die Gerichte verstehen das Internet nicht“ ist fast unerträglich. Es handelt sich um eine gut begründete Entscheidung, welche die besondere Qualität der Verletzung innerhalb der URL herausstellt.

    Comment by JD — 14.04, 2010 @ 15:11

  9. Was ist denn jetzt hieran so schwer zu verstehen?

    Das Gericht sagt doch letztlich nur, dass bei der Verwendung im Titel-Tag die Benutzung der Marke sich auch in der Anzeige der Marke niederschlägt, während das bei Meta-Tags wie Keywords nicht der Fall ist. Keywords wirken sich nur mittelbar über Suchmaschinen aus, Titeltags sowohl über Suchmaschinen als auch über die schlichte Anzeige als Titel.

    Insofern ist die Argumentation doch nachvollziehbar.

    Comment by Dante — 14.04, 2010 @ 15:38

  10. Ich verstehe die Aufregung auch nicht – der Beschluss legt doch lediglich dar, dass schon bei Benutzung des Markenzeichens in den Metatags dessen kennzeichenrechtliche Identifizierungsfunktion ausgenutzt wird (auch wenn das Kennzeichen hier gar nicht sichtbar angezeigt wird), und dass dies erst recht gelten muss, wenn das Kennzeichen sichtbar dargestellt wird, weil es im Titeltag enthalten ist und somit im Browserfenster angezeigt wird. IMHO völlig nachvollziehbar, wenn auch zur Begründung nicht absolut notwendig.

    Comment by PA — 14.04, 2010 @ 16:57

  11. Auch mir missfällt die selbstgefällige Art und Weise, mit der hier über die angeblich technisch ach-so-minderbemittelten Gerichte hergefallen wird. Haben allein die mit Straßenfällen betrauten Kleinanwälte die Weisheit mit Löffeln gefressen und dürfen mit dem Habitus des Oberlehrers („das will ich nicht mehr lesen“) den Gerichten ihre vermeintliche Unkenntnis ins Stammbuch schreiben?

    Ja, zunächst steht dort in der Entscheidung wieder die Legende von einer Auswertung der Metatags durch Suchmaschinen. Das ist falsch. Google hat niemals Metatags ausgewertet. Und jedenfalls heute nimmt auch keine andere Suchmaschine eine solche Auswertung mehr vor. Drauf geht der Blogbeitrag aber gar nicht ein.

    Etwas hilflos wirkt in dem Urteil auch die Apostrophierung der „‚einfachen‘ Metatags“.

    Aber darauf herumzureiten, ist ziellose Haarspalterei. Denn den Kern der Sache trifft bei allenfalls leichter technischer Unsicherheit das OLG hier ohne weiteres: Ein Gebrauch im Titeltag geht über den Gerbrauch mit Metatag hinaus. Denn nun ist die (unberechtigte) Verwendung für jedermann direkt sichtbar.

    Von der selbstgefälligen Kritik hier bleibt also nicht viel übrig. Gepolter, aber keine Substanz.

    Comment by Lawlita — 14.04, 2010 @ 18:48

  12. Ich sage es auch gerne nochmals. Der Kernpunkt meiner inhaltlichen Kritik besteht darin, dass das OLG Hamburg den Inhalt der Website nicht in die Prüfung der kennzeichenrechtlichen Verwechslungsgefahr einbezieht. Da es eine Reihe von Fällen gibt, in denen im Title-Tag ein Unternehmenskennzeichen zulässig verwendet wird – z.B. im Falle einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Unternehmen – ist die Urteilsbegründung schlicht unzureichend.

    Comment by admin — 15.04, 2010 @ 07:32

  13. Hierbei sollte man beachten, dass es sich um einen Beschluss (und nicht um ein Urteil, der Unterschied sollte geläufig sein) in bezug auf eine EV handelt, wonach die Rechtsverletzung ja nur überwiegend wahrscheinlich sein musss, um dem Antrag statt zu geben. Insbesondere wurde hier ohne Beweisaufnahme und ohne MüV entschieden – wie sollen hier Ausführungen zur Gestaltung der Website gemacht werden, wenn hierzu nichts vorgetragen wurde?

    Wenn die Verfügungsgegnerin meint, die Verwendung im Title-Tag sei hier ausnahmsweise keine kennzeichenrechtliche Benutzung, weil der Inhalt der Website jegliche Verwechslungsgefahr ausschließt, so steht ihr das Verfahren in der Hauptsache offen.

    Comment by PA — 15.04, 2010 @ 10:12

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