Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

31.3.10

Hoeren: Auch Löschen bringt nichts

Thomas Hoeren, Hochschullehrer an der Uni Münster, überrascht mit der Aussage, dass im Kampf gegen kinderpornografische Inhalte im Internet, das Löschen solcher Inhalte ebenso ineffektiv sei wie der Versuch der Sperrung. Stattdessen plädiert Hoeren dafür, die Kreditkarten von Pädophilen zu sperren.

Abgesehen davon, dass man Kreditkarten erst dann sperren kann, wenn der Inhaber als Konsument von einschlägigem Content identifiziert ist, weist dieser Ansatz einen weiteren Schwachpunkt auf.

Ausgangspunkt ist nämlich die Annahme, es bestünde ein Massenmarkt und es würde in relevantem Umfang für kinderpornografische Inhalte mit Kreditkarte bezahlt. Dafür gibt es aber nach wie vor keine tragfähigen Erkenntnisse. Tatsächlich wird in Kreisen Pädophiler wohl überwiegend – außerhalb des Web – unentgeltlich getauscht. Im Internet findet der Austausch derartigen Materials auch nicht im Scheinwerferlicht des WWW, sondern in den Hinterzimmern statt, in geschlossenen Benutzergruppen, Chats und P2P-Netzen. Und hierbei fließt eben meistens kein Geld.

posted by Stadler at 18:40  

31.3.10

BGH zur E-Mail-Beschlagnahme

Der BGH hat die Möglichkeit der Beschlagnahme von E-Mails eingeschränkt und entschieden, dass die Anordnung der Beschlagnahme des gesamten auf dem Mailserver des Providers gespeicherten E-Mail-Bestandes eines Beschuldigten regelmäßig gegen das Übermaßverbot verstößt.
BGH, Beschl. vom 24. November 2009, Az.: StB 48/09 (a)

posted by Stadler at 14:18  

31.3.10

Bistum Regensburg mahnt Blogger ab

Die Diözese Regensburg reagiert – nicht zum ersten Mal – empfindlich auf kritische Berichterstattung von Bloggern im Zusammenhang mit dem Umgang der katholischen Kirche mit pädophilen Priestern.

Das Blog regensburg-digital.de hat unter Bezugnahme auf einen Artikel im SPIEGEL geschrieben, dass ein Opfer eines pädophilen Pfarrers Schweigegeld bekommen habe.

Das hat das Bistum dazu bewogen, zunächst gegen den SPIEGEL Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu stellen. Die Verfügung wurde am 10. März vom Landgericht Hamburg (Az.: 324 O 107/10)  auch tatsächlich erlassen. Dem SPIEGEL wurde untersagt, den Eindruck zu erwecken, die Diözese Regensburg wolle durch die Vermittlung einer Geldzahlung bewirken, dass der in Rede stehende Vorfall an die Öffentlichkeit komme.

Und das obwohl offenbar tatsächlich DM 6.500,- bezahlt worden sind! Selbst dann, wenn eine Presseberichterstattung und Meinungsäußerung wie hier offensichtlich von Art. 5 GG gedeckt ist, hat man bei der Pressekammer des Landgerichts Hamburg immer noch gute Aussichten, eine Verbotsverfügung zu bekommen. Die Hamburger Pressekammer, deren Rechtsprechung in letzter wiederholt durch den BGH korrigiert worden ist, setzt ihren meinungsfeindlichen Kurs unbeirrt fort. Die Chancen, dass derartige Entscheidungen auch beim OLG Hamburg halten, sind freilich gesunken, nachdem auch das Oberlandesgericht erkennen musste, dass die Hamburger Linie beim Bundesgerichtshof keinen Rückhalt hat.

Gestützt auf diese Verbotsverfügung hat das Bistum Regensburg jetzt auch den Blogger abgemahnt und von ihm die Abgabe einer Unterlassungserklärung verlangt, in der er sich verpflichten soll, nicht mehr zu behaupten, die Opferfamilie hätte ein Schweigegeld erhalten.

Darf man eine Zahlung an Missbrauchsopfer also als Schweigegeld bezeichnen, wenn mit dieser Zahlung auch erreicht wird, die Angelegenheit von der Öffentlichkeit fernzuhalten? Die Antwort auf diese Frage liegt – außerhalb Hamburgs – auf der Hand. Es ist hier noch nicht einmal eine schwierige Abwägung vorzunehmen. Die Rechtsprechung des BGH und des BVerfG lässt wesentlich heiklere Meinungsäußerungen zu als diese.

Die katholische Kirche versucht hier einen Blogger ans Kreuz zu nageln, der möglicherweise nicht über die finanziellen Mittel verfügt, sich zu wehren. Und das ist eine Osterbotschaft der anderen Art.

posted by Stadler at 10:15  

30.3.10

Die Reaktion der deutschen Politik auf „Censilia“

Wenn man sich die Reaktionen deutscher Politiker auf das Vorhaben der EU-Kommissarin Malmström, Access-Blockaden im Internet zu etablieren, ansieht, sticht die Pressemitteilung des Justizminsters von Rheinland Pfalz hervor, in der es u.a. heißt:

Ein zentrales Anliegen muss es sein, sich dafür einzusetzen, dass in allen Staaten der Welt wirksame gesetzliche Regelungen der Strafbarkeit und der Strafverfolgung sexuellen Missbrauchs und der Kinderpornographie umgesetzt werden“, betonte Justizminister Heinz Georg Bamberger anlässlich der gestrigen Ankündigung der EU-Kommissarin Cecilia Malmström, der zufolge die Mitgliedsstaaten zur Sperrung von Internetseiten verpflichtet werden sollen.

„Angesichts der weltweiten Vernetzung über das Internet haben die vorhandenen gesetzesfreien Räume auch unmittelbare Auswirkungen auf die Situation in Deutschland. Sie sind maßgeblich mit dafür verantwortlich, dass trotz aller Bemühungen kinderpornographisches Material auch heute noch massenhaft – über das Internet auch von Deutschland aus – vorhanden ist. Das  Löschen dieser Inhalte muss selbstverständlich Vorrang vor dem Sperren genießen, in den Fällen, wo dies möglich ist“, bekräftigte der Minister.

Es sei völlig inakzeptabel, dass es immer noch Staaten gibt, die keine oder nur völlig unzureichende Gesetze zur Strafbarkeit von Kinderpornographie hätten, so der Minister.

Diese Stellungnahme ist in ihrer Unrichtigkeit und Widersprüchlichkeit symptomatisch für den unwissenden Umgang der deutschen Politik mit dem Thema.

Welche gesetzesfreien Räume dafür verantwortlich sein sollen, dass weiterhin massenhaft kinderpornografisches Material über das Internet vorhanden ist, wäre zumindest erklärungsbedürftig gewesen.

In allen Staaten dieser Welt, die über eine relevante Internetinfrastruktur verfügen, ist Kinderpornografie strafbar und wird auch verfolgt. Insoweit ist es interessant, einen Blick auf die Länder zu werfen, in denen solche Inhalte überwiegend gehostet werden. Wer dabei den Ausführungen der Sperrgegener nicht vertraut, wird sich vielleicht durch die Aussagen des Bundeskriminalamtes überzeugen lassen. Das BKA nennt nach Häufigkeit geordnet:

USA: 1148
Deutschland: 199
Niederlande: 79
Kanada: 57
Russland: 27
Japan: 20
Korea: 19
Tschechien: 15
Großbritannien: 14

Diese Zahlen beziehen sich auf Access-Sperren in Dänemark zwischen Oktober 2008 und Januar 2009. Ein ähnliches Bild hat die Analyse der australischen Sperrlisten ergeben.

Die dänischen Zugangsprovider blockieren also massenhaft kinderpornografische Webseiten z.B. in Deutschland und den Niederlanden, obwohl man innerhalb der EU mithilfe der Behörden vor Ort bzw. mittels Abuse-Mails  eine effektive Löschung binnen Stunden erreichen könnte. Und dieses absurde Modell soll nun in ganz Europa eingeführt werden.

Es ist in gewisser Weise zermürbend, dass man nach über einem Jahr intensiver Diskussion in Deutschland immer noch und immer wieder mit den immergleichen falschen Tatsachenbehauptungen und populistischen Parolen konfrontiert wird. Völlig zu Recht schreibt Sandra Mamitzsch bei CARTA, dass sich einige Beiträge zum Netzsperren-Vorschlag von Cecilia Malmström lesen, als ob es die “Zensursula”-Debatte nie gegeben hätte.

posted by Stadler at 17:53  

30.3.10

Innovative Bekämpfung von Urheberrechtsverstößen

Die Musik- und Filmindustrie ist nur noch dann innovativ, wenn es um die Verfolgung von Filesharern geht. Neuestes Beispiel ist Warner Bros., die jetzt technikaffine Studenten bzw. Absolventen technischer Studiengänge anwerben, damit diese im Rahmen eines Praktikums Warner bei der Bekämpfung des Filesharings unterstützen. Das wirklich schlagende Argument von Warner lautet, dass diese jungen Leute schließlich mit dem Filesharing aufgewachsen sind und deshalb auch Experten auf diesem Gebiet sein müssen.

Und dafür gibt es sogar eine offizielle Stellenausschreibung!

posted by Stadler at 12:25  

29.3.10

Was will Censilia genau?

Mein Versuch, den Text des Richtlinienentwurfs,  den „Censilia“Malmström heute vorgestellt hat, zu finden, verlief leider bislang erfolglos. Folgende Textpassage vom Server der EU klingt aber bereits sehr deutlich:

Member States will be obliged to ensure that access to websites containing child pornography can be blocked, as they are very difficult to take down at the source, especially if the site is outside the EU. The proposal will leave it to Member States to decide exactly how the blocking should be implemented but legal safeguards will always apply.

Danach haben die Mitgliedsstaaten die Pflicht eine Zugangserschwerung umzusetzen. Klar dürfte andererseits aber auch sein, dass das Europaparlament dieser Richtlinie zustimmen muss.

Frau Malmström hat erklärt, die dunklen Ecken des Internets aufräumen zu wollen. Es könnte jetzt allerdings auch sein, dass die Bürger damit anfangen, die dunklen Ecken in den Hinterzimmern der EU auszuleuchten.

Update vom 30.03.2010:

Der vollständige Richtlinienentwurf ist doch bereits online und gibt weitere Aufschlüsse. Bemerkenswert ist zunächst, dass der Entwurf, anders als das deutsche Recht, jede Person unter 18 Jahren als Kind definiert (Art. 2a). Damit wird auch die Jugendpornografie umfasst und man muss außerdem Auswirkungen auf Fälle normaler Jugendsexualität befürchten. Neben dem legitimen Anliegen, den Missbrauch von Kindern und die Verbreitung von Darstellungen dieses Missbrauchs zu bekämpfen, scheinen mir, speziell für den Jugendbereich, auch fragwürdige Moralvorstellungen eine Rolle zu spielen.

Das umstrittene Access-Blocking findet sich in Art. 21 des Richtlinienentwurfs:

1. Member States shall take the necessary measures to obtain the blocking of access by Internet users in their territory to Internet pages containing or disseminating child pornography. The blocking of access shall be subject to adequate safeguards, in particular to ensure that the blocking is limited to what is necessary, that users are informed of the reason for the blocking and that content providers, as far as possible, are informed of the possibility of challenging it.
2. Without prejudice to the above, Member States shall take the necessary measures to obtain the removal of internet pages containing or disseminating child pornography.

posted by Stadler at 21:20  

29.3.10

Neues Datenschutzrecht zum 01.04.2010

Zum 01.04.2010 treten einige Änderungen des Bundesdatenschutzgesetzes in Kraft. Telemedicus bietet eine gute und kritische Übersicht zu den Neureglungen.

Neu sind u.a. die Vorschriften von § 28a BDSG (Datenübermittlung an Auskunfteien) und § 28b BDSG (Scoring).  Auch die Auskunftsrechte der von einer Verarbeitung personenbezogener Daten Betroffener sind erweitert worden. § 34 Abs. 2 BDSG sieht nunmehr vor, dass im Falle eines sog. Scoring Auskunftsansprüche über die in den letzten sechs Monaten erhobenen Daten bestehen und die verantwortliche Stelle zudem verpflichtet ist, die Bedeutung der Wahrscheinlichkeitswerte in allgemein verständlicher Form zu erläutern. Auf solche Erläuterungen darf man wirklich gespannt sein.

posted by Stadler at 16:30  

29.3.10

BGH: Zuständigkeit deutscher Gerichte für Onlineveröffentlichungen in USA

Bereits die Presssemitteilung des BGH hatte für Aufregung gesorgt, nunmehr ist das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 02.03.2010 (Az.: VI ZR 23/09) im Volltext da, in dem eine Zuständigkeit deutscher Gerichte für Online-Veröffentlichung der New York Times bejaht worden ist.

Die Leitsätze des BGH lauten:

a) Die deutschen Gerichte sind zur Entscheidung über Klagen wegen Persönlichkeitsbeeinträchtigungen durch im Internet abrufbare Veröffentlichungen international zuständig, wenn die als rechtsverletzend beanstandeten Inhalte objektiv einen deutlichen Bezug zum Inland in dem Sinne aufweisen, dass eine Kollision der widerstreitenden Interessen – Interesse des Klägers an der Achtung seines Persönlichkeitsrechts einerseits, Interesse des Beklagten an der Gestaltung seines Internetauftritts und an einer Berichterstattung andererseits – nach den Umständen des konkreten Falls, insbesondere aufgrund des Inhalts der beanstandeten Meldung, im Inland tatsächlich eingetreten sein kann oder eintreten kann.
b) Dies ist dann anzunehmen, wenn eine Kenntnisnahme von der beanstandeten Meldung nach den Umständen des konkreten Falls im Inland erheblich näher liegt als es aufgrund der bloßen Abrufbarkeit des Angebots der Fall wäre und die vom Kläger behauptete Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts durch Kenntnisnahme von der Meldung (auch) im Inland eintreten würde.

Diese Rechtsprechung fasst den erforderlichen Inlandsbezug äußerst weit. Allein der Umstand, dass eine amerikanische Zeitung über ein in den USA eingeleitetes Ermittlungsverfahren gegen einen deutschen Unternehmer berichtet, vermag meines Erachtens keinen Inlandsbezug zu begründen.  Denn das Argument des BGH besteht einzig und allein darin, dass es nahe liegen würde, dass der Artikel im Inland zur Kenntnis genommen wurde oder wird, weil eine in Deutschland ansässige Person betroffen ist. Damit wird man nunmehr allerdings bei jeglicher Onlineberichterstattung über Deutsche in ausländischen Onlinemedien einen Inlandsbezug konstruieren können.

posted by Stadler at 12:10  

29.3.10

Zensursula Reloaded

Wie gestern schon berichtet, hat die EU-Kommissarin Malmström heute einen Richtlinenentwurf zum Kinderschutz angekündigt, der u.a. die Blockade von Websites durch Zugangsprovider beinhaltet.  Dieser Ansatz weist auch deshalb groteske Züge auf, weil man parallel auf EU-Ebene weiterhin über das Erfordernis von Netzneutralität diskutiert. Denn Access-Sperren beinhalten zwangsläufig die Manipulation technischer Abläufe und Standards. Wer Provider zwingt, Informationsströme umzuleiten, wirft die Netzneutralität über Bord.

Die Argumente, die gegen das deutsche Vorhaben angeführt worden sind, treffen auch auf die EU-Pläne zu. Dass derartige Sperren sehr leicht zu umgehen sind, gehört dabei noch zu den schwächeren Argumenten.  Viel schwerer wiegt beispielsweise der Umstand, dass die erhebliche Gefahr besteht, dass andere legale Inhalte quasi mitgesperrt werden (Overblocking). Und genau das findet in allen Ländern, in denen solche Access-Blockaden praktiziert werden, auch tatsächlich statt. Hinzu kommt der Aufbau einer Sperrinfrastruktur, die, wenn sie erst einmal vorhanden ist, Begehrlichkeiten wecken wird, verschiedensten rechtswidrigen oder unerwünschten Content ebenfalls in gleicher Art und Weise zu blockieren.

Schließlich muss man aber auch in aller Deutlichkeit sagen, dass Access-Blockaden nicht nur ungeeignet sind, Kinderpornografie im Netz zu bekämpfen, sondern vielmehr sogar der gegenläufige Effekt erzielt werden dürfte. Wer Sperrlisten erstellt, die nicht geheim zu halten sind, liefert damit nämlich auch Linklisten für Pädophile.  Wer Kinder schützen will, muss derartige Sperrvorhabern daher ablehnen. Man kann Kinderpornografie im Netz effektiver bekämpfen. Der Zugangsprovider, der keinen Zugriff auf die fraglichen Inhalte hat und deshalb im eigentlichen Sinne auch nicht sperren kann,  ist in jedem Fall der falsche Anknüpfungspunkt.

Und auch über das Thema Zensur wird in diesem Kontext ernsthaft zu diskutieren sein.

posted by Stadler at 11:45  

28.3.10

Die Bedrohung ACTA

Welche Bedrohung ACTA tatsächlich für das Internet und den ungehinderten Informationsfluss darstellen könnte, lässt der unlängst geleakte 56-seitige Vertragsentwurf zumindest erahnen. Auch wenn dort an zahlreichen Punkten noch Uneinigkeit besteht, zeigen vor allen Dingen die Seiten 27 ff. auf, wie die Regulierung des Internets zu Gunsten des Schutzes des „geistigen Eigentums“ aussehen könnte. Entscheidend wird letztlich wohl die Reichweite des Begriffs des Internet-Service-Providers sein. Sollte man sich am Ende darauf einigen,  auch Zugangsprovider , Suchmaschinen und diejenigen die Hyperlinks setzen, in die Pflicht nehmen zu wollen, würde das über alles hinausgehen, was wir bislang kennen. Speziell für die EU würde sich allerdings dann u.a. auch die Frage der Vereinbarkeit mit der E-Commerce-Richtlinie stellen.

Entscheidend ist in jedem Fall, dass ACTA endlich öffentlich diskutiert wird und insoweit ist der Leak ein wichtiger Beitrag.

posted by Stadler at 20:26  
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